The Sky of Youth is Blue

Über dem Eingang zur Maotanchang High School in der chinesischen Provinz Anhui hängt ein großer Screen. Auf ihm wird der Countdown bis zum jährlichen nationalen College Entry-Examen angezeigt. Das Ergebnis dieses Examens bestimmt an welche Universität die Jugendlichen nach ihrer Secondary School gehen können. Hier geht es nicht nur um eine Art Abiturnote. Hier wird die Familienehre verteidigt, hier wird der Platz in der Gesellschaft bestimmt, hier wird festgestellt, aus welchem Holz man gemacht ist. Daran erinnern die Banner in jedem Klassenraum, jeden Tag. Maotanchang ist „ A Purpose built School“, wie der Titel der Dokumentation (Link unten) verrät, die wir auf dem „Chinese Documentary Film Festival“ in Hong Kong sahen; ihr „purpose“ ist es die größtenteils „Re-taker“ durch das Exam zu bringen; die, die schon einmal versagt haben, auf „den wichtigsten Tag in ihrem Leben“ vorzubereiten, wie es mein Room-mate an der Lingnan Uni formuliert; sie zu brechen, um sie neu zu formen, wie es die Mutter eines der „Re-taker“ formuliert: „My son used to be a lively kid.“

Für ein Jahr ziehen die Schüler, meist mit ihrer Familie, in das Städtchen Maotanchang, das sich um die Schule massiv erweitert hat, um sich auf das Examen vorzubereiten. Auch eine „purpose built city“. Sie nehmen hohe Kosten in Kauf, geben teilweise ihre Jobs auf, verlassen ihre Heimatstadt, um ihre Kinder bei diesem „fight for a better future“, bei dem „test of life“ zu unterstützen; zu pushen, wenn es sein muss; bis zum physischen Zusammenbruch, wenn es sein muss. Sie tun es, da sie es als ihre Verantwortung sehen. „Aren´t you afraid she will blame you in the future?“, fragt der Lehrer den Vater einer Schülerin, die in der monatlichen Probe-Klausur schlechter geworden ist und bestimmt: „it is your obligation“. Die Eltern leiden, die Kinder leiden und doch machen sie weiter.

Und in dieser Szene muss ich an Mr. Xu denken. Mr. Xu hatte recht. Mr. Xu ist der ca. 1,60 große, chinesische, kurz vor der Pensionierung stehende, Geschichtsprofessor, der uns in Form von Tabellen und Schlagwörtern die Dichotomien und „Clashes“ zwischen den sogenannten „Western and Asian Values“ aufzeigen möchte (jedem KuWi muss hier automatisch bei so vielen Binaritäten schlecht werden). Doch in dieser Szene, in der es um die Familienbeziehungen in einer Extremsituation geht, spiegelt sich, was Mr. Xu mit Konfuzius‘ mehr als 2500 Jahre alte Familien-Werten meinte: die Pflicht der Kinder zu „obedience“ und „filial-piety“ (feststehender Begriff; Pflicht/Respekt/Frömmigkeit gegenüber den Eltern; chinesisch 孝 xiào) und die eigenen Wünsche dem Wohl der Familie und Gemeinschaft unterzuordnen; sowie die Pflicht der Eltern für die Bildung der Kinder zu sorgen und die Übernahme von Verantwortung; ja fast schon eine persönliche, moralische Haftung für das Verhalten der Kinder – ob es sich nun um einen schulischen Erfolg oder Misserfolg, einen Nobelpreis oder eine Straftat handelt (O-Ton Mr. Xu). Und wenn ich mich noch zuvor entrüstet gefragt habe, warum Eltern das mitmachen – sollen die Kinder doch einfach ihren Begabungen folgen – kommt mir jetzt, dass es a) nicht nur das schulische->berufliche->gesamt ökonomische System, sondern auch b) gesellschaftlich getragene Werte und c) ihre eigene Haut ist, aus der sie nicht ausbrechen können. Mr. Xu hatte mehr Recht als ich dachte. Mit seinen vermeintlichen Vereinfachungen und der Fokussierung auf die konfuzianistischen Werte als zentrale Erklärung für (historische) Verhaltensweisen. Diese Werte, an deren Bestand ich aus meinem kulturellen Hintergrund heraus – naiver- oder arroganterweise – nicht glauben konnte. Sie als Schlagwörter abgetan habe. Sie als im akademischen Bereich vollkommen unangebrachte Binarität verurteilt habe (immer den „westlichen“ Werten gegenübergestellt). Die Erkenntnis, dass Mr. Xu irgendwie doch recht hatte, hat Mareike und mich in vielen Situationen – häufig völlig unerwartet, boom – eingeholt.

Doch zurück zur Maotanchang Schule. Sie ist nicht einfach eine Stadt oder ein System oder ein Schicksalsort weit hinter der Grenze Hongkongs in einer bergigen Region Chinas. Das wurde spätestens offensichtlich als auch in der Einführungsveranstaltung der Freshmans an der Lingnan University von Anfang an klargemacht wird:

Please aim high. Don´t pity yourself, because society doesn´t pity the weak.

Auch in Hongkong gibt es ein jährliches „Diploma of Secondary Education“-Examen, dessen Ergebnis bestimmt, auf welche der acht Universitäten die Schüler gehen können. Da es nicht für alle einen Universitätsplatz nach der Secondary School gibt, bedeutet schon ein Ergebnis im Mittelfeld eine hohe Wahrscheinlichkeit nicht angenommen zu werden. Als die besten Universitäten gelten die University of HK, die Chinese University of HK und die HK University of Science and Technology. Lingnan University rankt auf Platz acht von acht. Lingnan ist eben eine Liberal Arts Universität. Es geht hier um „whole-person education”, die „critical thinking, broad vision and socially responsible values“ vermitteln möchte. Die Universitätsleitung steht dahinter, wie sie in der ersten Hälfte der Einführungsveranstaltung betonte. Sie ist stolz darauf. Auch stolz darauf anders zu sein. Sie sind von ihrem Weg überzeugt. Der knallharte Bruch folgte in der zweiten Hälfte der Veranstaltung, der uns etwas schockiert und ratlos zurückließ. Kernaussage: Studenten müssen sich gerade aufgrund der Ausrichtung mehr anstrengen, da der Arbeitsmarkt die Vorteile nicht zu schätzen weiß. Am unteren Ende der Nahrungskette gelte umso mehr das Prinzip „survival of the fittest“, so das Gefühl, das nach der Veranstaltung bleibt.

Ranking ist eben alles. Titel ist alles. Abschluss ist alles. Doch zählt der Schritt an die Uni gefühlt mehr als die Note des eigentlichen Uni-Abschlusses, fragt man die Studenten hier. Solange man wenigstens besteht, versteht sich. Man hat sich damit für die Teilnahme an den Spielen qualifiziert. Den Schritt an die Uni empfinden viele daher als Befreiung von all dem Kampf und Stress des Entry Examens – weg von daheim, ein wenig Freizeit haben. „I didn´t have a life until I started University”, meinte mein Room-mate Catherine zu mir und lachte. Ich lachte nicht. Denn ich weiß, dass diese Aussage umso schwerer wiegt, da ihre Eltern sich von den meisten HK Eltern unterscheiden, wie sie selbst sagt. Sie freuen sich für sie, dass sie ein self-fullfilment in Literatur und Theater und Sprachen gefunden hat und während des College Entry Examens erkannte, das Economics oder Natural Sciences nichts für sie sind. Sie hat sich als eine der wenigen bewusst für Lingnan entschieden.

Von Xerxes – ja, das ist sein englischer Name – einem aufgeschlossenen, smarten Kommilitonen kam eher ein „my parents are disappointed that I was not good enough to go to University of HK“. Mein darauffolgendes Plädoyer für die Wichtigkeit kritischen Denkens und der Fähigkeit Dinge von verschiedenen Standpunkten zu betrachten; für das Erkennen von Paradigmen, Prämissen und Motivation des Gegenüber und seiner Selbst; für disziplinübergreifendes Arbeiten, für mixed-teams; für das Aufbrechen eigener Interpretationsmodelle; für mehr Selbstbeobachtung; für das Geschenk von drei bis vier Jahren Freiheit neugierig hinter jeder Unitür eine neue Denkweise und Weltbilder zu entdecken; für…. „It´s not about simple knowledge, it is about the approach and an attitude, isn´t it?” Mein Plädoyer verhallt. Es ist nicht mal Resignation, die ich sah. Es ist Akzeptanz dieses kollektiv getragenen Systems, egal, was das für den Einzelnen bedeutet. Dennoch zeigt mir mein spontanes Plädoyer die Gründe, warum mir das HK Ranking der Uni nichts bedeutet und ich hier offen über die Uni schreibe, die ich besuche.

Xerxes heißt übrigens Xerxes, weil er sich schon immer für Alte Geschichte interessiert hat. Er studiert jedoch Translation. Genau wie Mareikes Buddy auch: „You study Cultural Studies?“, hat sie uns interessiert angestrahlt, „This is so interesting. I wanted to study Cultural Studies as well, but my parents adviced me to choose translation.” Wenn nicht Economics, dann doch wenigstens Translation. Vielleicht ist diese Beratung zugunsten „vernünftiger” Fächer neben dem Bestreben einfach nur den Uni-Abschluss zu bekommen der Grund, warum hier so viele „bored“ sind. Die Reaktion der Dozierenden – und ich tendiere ständig dazu Lehrer zu sagen –  formulierte eine Professorin für Visual Studies im Gespräch mit Mareike und mir als „you got to feed them with a spoon“. Ein anderer Dozent machte den „Witz“ – diesmal vor der ganzen “Klasse”: „How can you silence students? You just ask them, if they have any more questions“. Neben dem Sarkasmus, der aus dieser Aussage spricht, habe ich aber auch Verzweiflung angesichts dieses Systems erlebt. Bei einer nächtlichen Zufallsbegegnung auf dem Nightmarket brach es aus einem betrunkenen Soziologie-PhD-Kandidaten aus Pakistan heraus: „I don`t know how to survive the next three years. They never ask any questions. I want their opinions. They are always on their phones.“

Wer nicht gelangweilt oder einer der wenigen intrinsisch motivierten ist, der steht unter hohem Leistungsdruck („Please aim high“. Please hätten sie sich auch sparen können.) Der Geschichtsprof, bei dem ich gerne World History belegt hätte, meinte zu mir, dass er mich als Masterstudent in dem Grundlagenkurs nicht aufnehmen möchte, da die Kiddies ähm Studenten a) unter solchem Druck stünden, dass sich das Tutorium in einen „shark tank“ (O-Ton) verwandle und ich b) als Masterstudent diesen Druck noch erhöhen würde. Anderer Kurs. Lieblingskurs. Urban Sociology. Bei Paul O´Connor. Engländer. Meister der Motivation. Mit seinen Ausrufen „Aaacceeee“ und dem dazugehörigen erfreuten Lachen bei einer guten Wortmeldung habe ich manchmal das Gefühl, ich bekomme einen „Gut-Gemacht-Dino-Stempel“ in mein Schulheft. Manchmal klingt er auch als würde er verschüchterte Tierchen beruhigen wollen. (Dass Paul neben seinem pädagogischen Können grandiose abstrakte Gespräche über Hybridität im urbanen Raum und Ethnizität in HK mit uns führt, sei hier mal im Kontext der Überlegungen zu Studenten-Dozenten-Beziehungen beiseitegelassen.)

Versteht mich nicht falsch, auch wenn die „Schüler“ hier genauer angeleitet werden und der Diskussionsanteil geringer ist, empfinde ich es als unglaublich inspirierendes Umfeld. Allein aufgrund dessen, all dies zu beobachten; und mich selbst in Gesprächen, akademischen Texten, in Dokumentationen, der lokalen und internationalen Zeitung, in den Lehrveranstaltungen, in Ausstellungen oder beim „urban exploring“ mit Wertesystemen und deren Niederschlag in education system, der Stadtentwicklung, in zwischenmenschlichen Beziehungen, in Architektur, in Freizeitgestaltung, bei der Ernährung, … an allen Ecken und Enden…. auseinanderzusetzen, darum zu kreisen, mich anzunähern. Festzustellen, wie sehr ich in meinen Modellen stecke. Ich bin angefüllt, inspiriert, fühle mich so lebendig hier.

Auch ist die Stimmung am Campus richtig gut. Jeder ist in Committees, sie tragen Hostel-oder Team-Shirts, brüllen täglich „Cheers“, kochen Hot-Pot im Gemeinschaftsraum, veranstalten Jam-Sessions, zocken zusammen Handy-Games, trinken heimlich ein Bier, zutscheln genüsslich an den Hühnerknochen in der Kantine, gehen auf sportliche Wettkämpfe, schlafen nie vor 2-3 Uhr nachts etc.

Und trotzdem. Es sind die einzelnen Sätze, die mich nicht in Ruhe lassen. Der Dokumentarfilm „A purpose built school“ oder Catherines Reflexion über den Schritt an die Uni und ihre Eltern; dann die so verwirrende Ehrlichkeit der Dozenten uns gegenüber, ihre Sicht auf die „Kids“ – nicht erwachsene Studenten; die Akzeptanz der Kommilitonen gegenüber des nicht selbst gewählten Studiengangs: „it´s not a big deal“; Paul O´Connor sagte heute erst, wenn in HK etwas „not a big deal“ ist, „then there is a lot going on“.

Und es ist der Artikel der SCMP (South China Morning Post) vom 02.11., der mir den Anstoß gab, diese Eindrücke, die ich seit dem ersten Tag in meinem Notizbuch, meinem „Book of Questions“ sammle, doch zusammenzuschreiben. Mit dem Wissen und dem unguten Gefühl, das ich nur an der Oberfläche kratze. Aber es muss ja etwas dran sein, wenn es mich nicht loslässt, wenn es immer wieder auftaucht. Und wenn die SCMP titelt: „Poignant suicide notes show how teens in Hong Kong are crumbling under the burden of expectations.” (siehe Link unten)

Das Center für „Suicide Research and Prevention” an der University of HK analysierte die Abschiedsbriefe der Studenten und Schüler, die Selbstmord beginnen. Ein Hauptgrund scheine das Gefühl der Youngsters, eine Last für die Familie zu sein, die Erwartungen nicht zu erfüllen, die an sie im Schulischen/Akademischen gestellt werden. Während sich junge Leute im „Westen“ umbrächten, da sie das Gefühl hätten nicht geliebt zu werden oder nicht dazu zu gehören, betonten die jungen Selbstmörder in HK und Mainland China sogar die Dankbarkeit für die Liebe der Eltern und anderer Unterstützer. Doch diese Liebe sei, so die Wissenschaftler, nicht „unconditionally“. Sie sei an Bedingungen geknüpft: „The positive connection between family members appeared to be fragile and materialistic. The students’ sense of ‘belonging’ was replaced by the sense of ‘belong to’, i.e., being possessed by their parents.” Fehlender akademischer Erfolg und damit keine Aussicht auf höheren Verdienst resultiere in dem Gefühl der Wertlosigkeit und eine Last für die Eltern zu sein.

„27 per cent of Hong Kong pupils think of suicide or self-harm, 63 per cent have sleeping disorders: Paediatric Society survey.“  In einer Umfrage in Hennis Kurs – die dazu diente eine “sensitive Umfragetechnik” zu üben – gaben 40% an schon einmal an Suizid gedacht zu haben.

The Sky of Youth is Blue

– schallt eine weibliche „Tribute-von-Panem“-artige Lautsprecherstimmer über den Parkplatz der Maotanchang Schule, auf dem die Schüler gerade in die Busse zum College Entry Examen geladen werden. “It is so ambiguous”, meinte Catherine diesmal ernster. Es ist zynisch. Es ist bitterböse.

Ich frage mich, wie viele von euch an einen strahlend blauen Himmel gedacht haben. Keine Wolke. Strahlender Sonnenschein. Mein „Sky of Youth“ ist von diesem strahle-blau, perfektes Wetter. Strahlende Zeiten. „Die beste Zeit ist jetzt“ steht auf der Karte, die mir meine Eltern zum Geburtstag geschickt haben. Mit Küssen und dass sie mich vermissen. „Make the most of now“ trage ich als mein Motto vor mir her, auf Instagram, auf WhatsApp.

Was für ein Geschenk das sagen zu können. Was für ein Geschenk, dass das nicht nur meine Eltern, sondern unsere Gesamtgesellschaft trägt und mitgeht, dass jeder nach seiner Fasson seinen Weg ziemlich frei suchen kann. Was für ein Geschenk, dass ich zwar gefragt werde, in welchem Berufsfeld man als Kulturwissenschaftler arbeitet, aber das diese Frage stets von Interesse und Respekt begleitet ist.

 


 

Zum Dokumentarfilm „A Purpose built School“: http://www.imdb.com/video/wab/vi4202869785

Zum Artikel der SCMP vom 02. November 2016:

http://www.scmp.com/comment/insight-opinion/article/2041995/poignant-suicide-notes-show-how-teens-hong-kong-are

3 thoughts on “The Sky of Youth is Blue

  1. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was was gerade eben, 2 Minuten nachdem wir den Beitrag hochgeladen haben, in meinem Facebook-Feed aufgetaucht ist: “Schule in China: ‘Meine Eltern waren immer nur enttäuscht`” Die Welt ist verrückt.

    http://www.zeit.de/campus/2016-10/schule-china-gaokao-abschluss?utm_content=zeitde_redpost_zon_link_sf&utm_campaign=ref&utm_source=facebook_zonaudev_int&utm_term=facebook_zonaudev_int&utm_medium=sm&wt_zmc=sm.int.zonaudev.facebook.ref.zeitde.redpost_zon.link.sf

  2. Huhu,
    aus dem jetzt langsam winterlichen Deutschland mit grauem Himmel und ersten Schneeflocken.
    Ja, the sky of Youth is Blue – wie du schriebst –
    Blau ist die Unendlichkeit, und der Satz meint, dass die Jugend viele – vielleicht, wenn man mutig genug ist, auch unendliche Möglichkeiten bietet, das Leben zu gestalten. Dazu gehört eben der Mut des Einzelnen auch anders sein zu wollen und zu können und auch die Familie, die Gruppe, die Gesellschaft, die das Anderssein (mit)trägt.
    Eltern wollen immer das Beste für das Kind und deshalb streben sie auch nach einer anerkannten und damit wahrscheinlich gewinnbringenden Ausbildung für das Kind.
    Bedenke die Diskussionen, bevor du deinen Bachelorstudiengang wähltest!
    Hier in Deutschland entsteht zurzeit eine laute Diskussion über Glück, was es ist und wie es entsteht (und ich glaube, zu keinem Themengebiet sind mehr Ratgeber im letzten Jahr veröffentlicht worden). In einem “ausgemergelten” (jeder darf es so verstehen, wie er will) Wirtschaftssystem enstanden Begriffe wie work-life-balance, um nur ein Beispiel zu nennen. Der Mensch ist mehr als seine Arbeit und das Glück aus der Berufstätigkeit zu ziehen, das ist immer auch ein abhängiges Glück, weil ich dazu eine adäquate Arbeitsstelle brauche.
    In diesem Sinne hat sich vielleicht die westliche Werteskala in den letzten Jahrzehnten verändert.
    Auch bei uns galt im vorherigen Jahrhundert lange: the sky of youth is blue
    und damit war vielleicht mehr BLUE als Melancholie, Trübsinn, als tiefe Traurigkeit und Sehnsucht gemeint, weil man eben nicht machen konnte (oder sich traute), was man wollte, was einem das Herz sagte. Blue hat, so viel ich weiß, im Englischen und auch Italienischen durchaus diese Bedeutung der Depression.
    Vielen Dank für den inspirierenden Artikel.

  3. Vielleicht kann ich das mir mal vorstellen XD Die Aussage, dass das Leben nicht von selbst sondern von den Eltern bzw. der gesellschaftlichen Werten bestimmt wird oder man erst ab der Uni sein Leben anfängt, weiß ich auch ein bisschen. Jedes mal wenn ich mit meiner Mutter skype, fragt sie mir immer, ob du dein Studium weiter machen solltest, das führt dazu, dass ich mit ihr nicht so oft reden möchte. An Selbstmord dachte ich während des jetzigen Studiums auch regelmäßig. Haha….nicht so schlimm.

    Der Grund, dass Viele Austauschstudierende aus Asien sehr guten Eindruck oder gute Erinnerung an Deutschland haben, wäre nicht nur wegen der objektiven Guten von Deutschland, sondern meiner Meinung nach wären sie zum ersten Mal Asien verlassen bzw. die Kontexte, die ihr verbindliche Verhaltensnorme geben.

    Allerdings haben deutsche StudentInnen sicherlich auch Druck. Soweit ich weiß, würden sie sich fürs Abitur und Staatsexamen viel widmen. Es besteht auch Unterschied zwischen verschiedenen asiatischen Ländern und sogar innerhalb einer Region. Z.B. streben manche Honkonger Studis hauptsächlich nur nach einem guten Karriere, während die anderen Neues der Welt erkunden wollen. Wichtig wäre, dass sie sich daran durch einen eigenen Weg anpassen können müssen. Ich erzähle meiner Mutter beispielsweise nicht genau, was ich jetzt mache, sondern ich möchte ihr die guten Ergebnisse zeigen, damit sie keine Sorge hat, dass ihr “Kind” sein Leben problemlos führen kann. Einer der Nachteile ist, dass ich von ihr keine mentale Unterstützung bekommen kann.

    Der Druck, den man in China zum Studium trägt, wäre noch höher als in Taiwan, weil es in Taiwan ein anderes Problem bezüglich der Hochbildung gibt, nämlich wurden zu viele “Universitäten” erstellt, damit jeder einen Platz an einer Uni bekommen kann. Die Diversivität oder Flexibilität gibt es damit nicht mehr. In Ukraine ist einer Kommilitone zufolge das Problem auch so.

    Ich persönlich hätte auch Bedenken an die Vorgehensweise zum Aufbau von Wissen durch eine Binärität zwischen dem Westen und Osten/Chinesischen. Doch es ist der beliebteste akademische Ansatz. Dieser Ansatz und die Konfuzius werden vielleicht in Taiwan schon aufgeben, stattdessen würden die Umstände wegen der Globalisierung als Gründe genommen. Z.B. mögen deutsche Studierenden nicht Informatik oder Engineering, während diese beide in Asien sehr beliebt (zumindest bei der scheinbaren Auswahl) sind, da die Arbeitskräfte dieses Fachs zur staatlichen Industrie-Politik benötigt sind. Für mich wäre es wichtig, dass viele asiatische sich als (Leiter von) Entwicklungsländer betrachten, die Industrieländer immer verfolgen. Diese “Logie des Verfolgs” könnte erklären, warum Hongkoner immer so schnell laufen und Taiwaner sich leichter empören, wenn jemand sie wegen der Langsamkeit mal verhindert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Fahrgäste nicht vorher schon an der Tür stehen müssen, sondern dass sie erst bis zum Halt noch auf ihren Sitzen bleiben und kiss googbye. Allerdings wäre die Situation in Großstädten in Deutschland anders.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *