Über arschige Geburtstagsgrüße und andere Spezialitäten

Wenn man in Hong Kong lebt, machen manche Smilies plötzlich einfach mehr Sinn.

fb-emo-krank fb-emo-wunschfb-emo-happy-birthday

Der letzte Emoticon spielt auf die chinesische Tradition an, dem Geburtstagskind arsch-förmige Süßigkeiten zu schenken. Traditionellerweise gibt es keinen Geburtstagskuchen, sondern diese Gebäckstücke.

geb1 geb2

 

 

 

 

Sie heißen Shao Bao und versprechen ein langes Leben. Eigentlich sollen sie wie eine Pfirsich aussehen, aber der arschförmige Charakter lässt sich gut an den rosa Punkten ablesen, die an expliziter Stelle angebracht sind. Das Innere ist gefüllt mit einem ganzen, salzigen Eigelb (wie die traditionellen Mondgebäcke, die hier am wichtigen Mid-Autumn-Fest gegessen werden) und einer süßen braunen Paste, beides wird von einem süßen, weißen Teig umschlossen. Chinesische Gebäckstücke haben eine interessante Konsistenz. Irgendeine Mischung aus Marshmallows und Brötchen.

Ja! Beim Essen verstehen die Chinesen Spaß. Eine berühmte Nachmittags-Tee-Mahlzeit ist Dim Sum. Es sind verschiedenste Teigtaschen, deren Teig süß ist, die aber zumeist mit Salzigem gefüllt sind. Zum Beispiel mit Shrimps, anderen Meeresfrüchte, Schinken, Speck, einer Art Gulasch. Es wird traditionell in Bambuskörben serviert und kann ganz unspektakulär aussehen – oder man geht in einen Laden und findet dann plötzlich Dim Sum mit Gesichtern und ganzen Figuren darauf. Auch hier lässt der chinesische Humor grüßen:

dimsum1 dimsum2

 

Die Küche in Hong Kong hält sich getreu an den Leitsatz „An Fett und Fleisch kommt man nicht vorbei“. Ich würde schätzen (natürlich ist meine Schätzung durch meine Voreingenommenheit grandios verzehrt) mindestens 80% der Gerichte sind mit Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchten. Die Menschen hier lieben einfach Fleisch! Es ist wohl einfach auf der ganzen Welt beliebt. Wenn man nicht ultra-konsequent sein will – und dafür bewundere ich jeden, der es ist – isst man hier täglich Fleisch. Ich esse hier so viel Fleisch, dass es mir zu Beginn richtig unangenehm war. Daher habe ich beschlossen, dass ich, sobald ich zurück Zuhause bin, im neuen Jahr erst mal fleischfrei leben möchte. Für mindestens ein halbes Jahr. Um diesem Überkonsum irgendwie zu begegnen.

Fleisch ist so beliebt, dass es sogar in der ersten Woche in einem Unikurs vorkam, den ich jetzt allerdings nicht mehr besuche. Dort wurde die Frage gestellt, warum der Beginn der großen menschlichen Zivilisationen an die beginnende Phase des Ackerbaus gekoppelt ist – wo doch Fleisch so viel besser schmeckt. Falls ihr die Antwort nicht wisst, wendet euch getrost an mich 😉

Zum obigen Leitsatz müsste man eigentlich noch Eier hinzufügen. In fast jedem Essen findet man die ein oder andere Form an Eiern. In ihren Ei-Varianten ist die chinesische Küche richtig kreativ.

Die Esssituation in meinem Auslandssemester ist nicht ganz so fantastisch. Dadurch, dass wir keine richtige Küche haben (wir haben einen Kühlschrank, ein kleines Spülbecken, eine Mikrowelle) und vor allem keine Kochutensilien, koche ich hier nicht. Mittlerweile haben wir einen großen Dampfkochtopf ohne Deckel im Gemeinschaftsraum stehen, aber irgendwie ist der Zug für mich abgefahren. Schließlich habe ich immer noch kein Messer, kein Brettchen, kein Sieb, keinen zweiten Topf, keine richtigen Gewürze und die Ameisen im Gemeinschaftsraum sind auch immer noch da. Wahrscheinlich jammere ich auf hohem Niveau. Aber ich kann mich trotzdem nicht wirklich damit arrangieren.

Also wird meistens in der Kantine gegessen, und Kantinenessen ist ja auch in Deutschland nicht das beste. Allerdings kommt es mir mittlerweile schon seltsam vor, dass es in deutschen Mensen täglich neue Gerichte gibt. Hier ist das nämlich nicht so. Seit ich hier bin, also seit Mitte August, hat sich das Angebot zwei, drei Mal verändert – es sind zwei neue Gerichte dazu gekommen und eine Suppe ist durch eine andere Suppe getauscht worden. Ich weiß noch, wie ich am Anfang gehofft habe, dass sich die Mahlzeiten nach einer Woche ändern. Nach einem Monat. Aber nichts. Ich glaube, nach zwei Monaten kam es dann dazu! Dafür gibt es unterschiedliche Gerichte zur Frühstückszeit, zur Mittagszeit, zur Teezeit und zum Abendessen.

In direkter Nähe kann man auch nicht wirklich gut essen gehen, außer man wartet auf den Night Market, der ab 21 Uhr langsam beginnt, man hat aber mehr Auswahl, wenn man nach 22 Uhr hin geht. Hier schmeckt das Essen besser, ist aber auch sehr fettig.

Fun Fact zwischendurch: Letztens konnte ich beobachten, wie die Besitzer der illegalen Food Courts samt ihrer Essenswägen vor der Polizei geflohen sind. Das Problem ist, dass sie keine Lizenz haben, um Essen zu verkaufen. Deswegen findet dieser Night Market auch idyllisch gelegen entweder am Busbahnhof vor den Lüftungen des anliegenden Einkaufszentrums statt oder – wenn die Polizei eine zu große Präsenz zeigt – um die Ecke, dort wo tagsüber die Waren für den Supermarkt geliefert werden. Ein Warnruf reicht, und die ganze Menge an Verkäufern flieht in Windeseile! Wenn du schon bestellt und gezahlt hast, ist das kein Problem, du folgst den Verkäufern einfach um die Ecke.

Eine andere Möglichkeit essen zu gehen ist in die nächst größere Stadt zu fahren – absurderweise sage ich wirklich immer Stadt, obwohl das alles um mich herum, ja eine große Stadt ist! Mareike und Franzi, unsere Stadtsoziologinnen, wissen bestimmt, wie man das korrekt ausdrückt.

Auf den Märkten hier kann man oft frischen Fisch und Meerestiere kaufen. Entweder sie sind in oben offenen Aquarien oder sie liegen noch lebend und nach Sauerstoff schnappend auf kaltem Eis. Teilweise auch schon halb geschlachtet. Da ich ein altes Landei bin, kenne ich mich mit Meerestieren nicht besonders gut aus und fand deren Aussehen umso interessanter. In den letzten Wochen habe ich wirklich sehr absurd aussehende Tiere kennen gelernt. Die Fische gibt es übrigens auch zuhauf in getrockneter Form, etwas, das ich auch noch nicht kannte.

Ach ja! Das chinesische Essen! Gewürzt wird hier mit diversen Varianten an Soja-Saucen, Chili-Saucen und Dips. Da gibt es zum Beispiel einen grün-weißen Dip, in dem Ingwer enthalten ist, den isst man zu Hähnchen.

 

Geburtstagshotpot
Einmal die ganze Gruppe mit ausgeschalteten Herdplatten.
Geburtstagshotpot
Hier sieht man ein bisschen den Dampf, der aus den Töpfen kommt.

 

Am leckersten finde ich Hot Pot! Hot Pot bedeutet, dass du eine Herdplatte in der Mitte des meist runden Tisches hast, darauf bekommst du einen Topf mit Brühe. An meinem Geburtstag waren wir so viele Menschen, dass wir zwei Herdplatten mit zwei Töpfen mit unterschiedlichen Brühen hatten. Eine davon war mit frischen Kokosstücken und hatte dadurch eine schöne weiße Farbe. Meine chinesischen Freundinnen haben dann zu Anfang Gemüse (ich glaube, es war vor allem Mais – Mais lieben sie hier! Das gibt es sogar bei McDonalds) hinein geworfen, damit die Brühen noch mehr Geschmack annehmen. Und danach kannst du alles bestellen, was dein Herz begehrt und danach in die kochenden Brühen halten. Zumindest unser Hot Pot Essen war wieder sehr fleischlastig, aber Silvi hat mir erzählt, dass sie mal Hot Pot Essen war und es sehr viel Gemüse gab! Stellt euch einfach alle möglichen Varianten vor, die man an Essen haben kann, von Fischbällchen zu rohem Schweinebauch oder Rinderfleisch, Muscheln, Tintenfisch, Instantnudeln, eigentlich wusste ich die meiste Zeit nicht, was ich gerade gegessen habe. Salat und andere Grüngewächse werden hier übrigens auch gekocht und in die heiße Brühe geworfen! Zum Abschluss des Abends habe ich auf jeden Fall noch Hahnhoden probiert. Eigentlich essen das die Hong Kong Männer, um ihre Potenz zu stimulieren, aber zwei chinesische Freundinnen und ich waren so mutig und haben es auch mal probiert. Bestellung gemacht, serviert bekommen, ins kochende Wasser gehalten – mhh, knusprig. Weich und knusprig. Es werden auch oft genug die Köpfe der Tiere mit aufgetischt, wenn es Hühnchen gibt. Wolltet ihr also schon immer einmal wissen, wie alle Teile eines Tieres schmecken, kommt hier her und findet es heraus.

Und jetzt gehe ich Frühstücken – und nein, ich nehme nicht das Frühstücksfilet mit Würstchen und Spiegelei, sondern ich freue mich auf meine Rühreier mit Pilzen und getoastetem (!) Toast.

Hier noch eine Collage an Essensbildern mit kurzen Beschreibungen, falls ihr noch nicht genug vom chinesischen Essen habt.

Essenscollage
Von rechts nach links und oben und unten. Mini-Käsestückchen als Snack. Chinesischer Nachtisch. Fischbällchen mit fettiger Soße und getrocknetem Fisch oben drauf. Klöße und Fischbällchen in Form von bunten Gesichtern. Süßes Gebäck mit Matcha und roter Bohnenfüllung. Schwarzer Bagel. Kuchen in Hahnform. Pralinen in Form von süßen Tieren. Vietnamesische Suppe.

 

dumblings
Dumplings. Salzige gefüllte Teigtaschen

 

schweinchen
Ein Ferkel das am Mid-Autumn-Fest als ganzes gegrillt wurde. Daneben Kartoffeln?!

 

BBQ Venue
Ein verrückter Ort in der Nähe unserer Uni, in der man unter dem Licht der blauen Lichterketten im Schatten der Hochhäuser an Plastiktischen und Plastikhockern auf offener Kohle chinesisch grillen kann.

14 thoughts on “Über arschige Geburtstagsgrüße und andere Spezialitäten

  1. Das klingt so verrückt! Ich musste irgendwie an Fondue denken bei diesen Hot Pots. Jetzt habe ich auf jeden Fall auch Hunger – nur nicht auf Toastbrot, das kann ich wirklich nicht mehr sehen!

    1. haha…eigentlich habe ich schon an den Hot-Pot gedacht, als ich mit euch die Raclette gegessen habe. Endscheidend wäre für mich nicht der Inhalt oder die Form der Gerichte, sondern die Form gemeinsamen Essens um einen Kern.

      1. Das habe ich wirklich vergessen zu erwähnen! Hier teilt man sich das Essen eigentlich. Oft genug kommt jedoch die eigene Kultur durch und jeder isst seinen eigenen Teller, was auch ein bisschen Schade ist.
        Aber trotzdem ist für mich der Inhalt der Gerichte nach wie vor das Entscheidende und nicht die Art und Weise des Essverhaltens. Da bin ich anderer Meinung 🙂

    2. Fondue ist ähnlich, aber nicht so variantenreich, würde ich sagen. Da ist Wei-Chengs Raclette-Vergleich vielleicht passender.
      Freust du dich auf das Brot Zuhause? 🙂

  2. Chin chan!!! Die Serie lief früher immer im Fernsehen und ich hab nir verstanden, warum der kleine Idiot ständig seinen Popo zeigt… Dein Beitrag hat das Rätsel gelöst, es ist einfach der chinesische Humor! 😀 Sehr cool, wie du dich einfach an alles herantraust und es probierst. Und das mit den Essenwägen klingt ziemlich abenteuerlich! Genieß noch den (fleischlastigen) Rest, was das angeht glaube ich kann Argentinien bestens mit dir mithalten, hier esse ich auch so viel Fleisch wie nie zuvor…

    1. hihi, wie lustig mit der Serie!! Ich glaube, das mit den Essenswägen hört sich abenteuerlicher an, als es wirklich ist 🙂

  3. Wow, die arschförmigen Süßigkeiten sind ja richtig cool! Und über das Video habe ich mich halb kaputt gelacht☺️ Danke für den interessanten Bericht und die vielen Fotos!

  4. Hihii, wir haben neulich im Restaurant auch diese Shao Bao gegessen 😀 und keine Sorge, wenn du hier bist essen wir ganz viel Gemüse! 🙂

  5. Hoho, wie interessant! Das Interessanteste ist, wie groß die Unterschiede zwischen Süßigkeiten in Hongkong und Shanghai sind! Kann sein, dass ich einfach nicht gesehen habe, aber über arschförmige Pfirsiche und “wunderschöne” gelbe Tiere aus dem Video, sowie böse Schweinchen habe ich hier nicht gesehen! Hier kann man in zahlreichen Konditoreien verschiedene Torten finden, denen sie in interessanten Formen gestalten, aber keine einzigartige, wie du uns zeigst.
    Hot Pot ist auch beliebt, und in der Mensa findet man wirklich jeden Tag das gleiche… Fudan verfügt aber über 3 große Mensas, die eine riesige Auswahl an Gerichten haben, so findet man Tag für Tag für sich was anderes)))
    Danke für diesen interessanten Exkurs in die chinesiche Kochkunst!

    1. hihi, du süße. Tatsächlich sieht hier natürlich nur ein geringer Teil des Essens so süß und lustig aus. Das meiste ist dann doch eher normal. Aber ich bin schon so gespannt, ob ich den Unterschied zwischen der Küche in Shanghai und Hong Kong bemerken werde!! Das fände ich ziemlich spannend. Ich freue mich auch darauf, bald eure Fudan University anschauen zu können. Bis ganz bald 🙂

  6. Ahh Henni! Meine ganze Bewunderung gilt dir!! Ich weiß nicht, ob ich das mit dem Essen (und dem Schlafen.. und dem Lärm…) geschafft hätte. Wie schön urteilsfrei du berichtest :)! Wenn du hier bist, mach ich dir erstmal Homemade Hummus mit Falafel! Und diese Serie mit dem Po – jetzt macht das so viel Sinn, ich kenne die auch noch ^^

    1. Oh, da freue ich mich mega drauf!! So schön, dass wir uns bald wieder sehen 🙂 Danke, dass es dir aufgefallen ist, ich habe wirklich versucht urteilsfrei zu sein und mich schon gefragt, ob mir das gelungen ist.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *