Erinnerungen an Cape Town oder Wie man den Winterblues bekämpft

Vor sechs Tagen habe ich mich in Johannesburg in den Flieger nach Deutschland gesetzt – widerwillig und müde und irgendwie noch nicht bereit. Eigentlich hatte ich mich lange genug auf den Rückflug vorbereiten können und doch erschien es mir in jenem Moment unmöglich, ins kalte und winterliche Deutschland zurückzukehren. Jetzt sitze ich tatsächlich an meinem altbekannten Schreibtisch, beobachte das Schneetreiben und die dick eingepackten Menschen und versuche, mich an die wärmenden Strahlen der südafrikanischen Sonne zurückzuerinnern. So richtig „wieder da“ bin ich tatsächlich noch nicht. Was gibt es also Besseres, als sich an ein wirklich gelungenes Auslandssemester zurückzuerinnern? All die Beobachtungen und Erlebnisse nochmals in Gedächtnis zu rufen? In diesem Blogeintrag möchte ich daher von einer meiner schönsten Unternehmungen des letzten halben Jahres berichten: meiner Reise nach Kapstadt.

Bereits vor meiner Ankunft in Südafrika hatte ich einige Berichte über Cape Town gehört oder gelesen. Viele davon ließen verlauten, dass es die Stadt sei, in die sie sich vorstellen könnten auszuwandern, sollten sie je auswandern wollen. Von vielen Südafrikanern hatte ich darüber hinaus gehört, dass Cape Town die „europäischste“ aller südafrikanischen Städte sein sollte. Mitte September war es endlich soweit und ich konnte die beeindruckende Stadt selbst kennenlernen. Auf meinem Zweistundenflug von Johannesburg nach Cape Town wurde mir zum ersten Mal richtig bewusst, wie riesig Südafrika ist – würde man von Deutschland aus zwei Stunden fliegen, könnte man wohl in Süditalien landen. Auch der Wetterunterschied innerhalb des Landes kann enorm sein – in Pretoria war es zu dieser Zeit bereits beständig heiß und immer noch trocken, während es an der Atlantikküste in Cape Town von Tag zu Tag wechselte, regnete und nach wie vor sehr kühl war. Insgesamt hat mich fasziniert, wie sehr die Stadt ihr Gesicht wechseln konnte, wenn auch das Wetter umschlug. Schien die Sonne vom knallblauen Himmel, hatte man sofort ein „atlantisches“, freies Urlaubsgefühl. War es am nächsten Tag kühl und bewölkt, herrschte in der Stadt eine fast mystische Stimmung, besonders verstärkt durch die Wolken, die die Spitze des Tafelberges vollständig bedeckten und langsam ins Tal waberten. An solchen Tagen werden die Wolken als „Tischdecke des Tafelberges“ bezeichnet.

Als Touristenort funktioniert Cape Town hervorragend. Die W&A Waterfront, an der von Einkaufszentren über Restaurants bis hin zu Straßenmusik und –akrobatik alles geboten wird, ist der schicke Touristenmagnet direkt am Wasser. Der Tafelberg als eines der Sieben Neuen Weltwunder und als Wahrzeichen Cape Towns lädt zum Wandern und Staunen ein – die Sicht von oben über die Stadt und über den atlantischen Ozean ist wirklich atemberaubend. Der Boden der Seilbahn, die die Besucher ebenfalls nach oben und nach unten bringt, dreht sich während der Fahrt um 360 Grad, sodass auch diese kurze Fahrt zu einem spannenden Erlebnis wird.

Wie in den anderen großen Städten Südafrikas wird einem in Cape Town bewusst, wie krass die Gegensätze zwischen arm und reich sind und wie eng sie hier irgendwie doch zusammengehören. Auf der einen Seite ist da Khayelitsha, angeblich das mittlerweile größte Township Südafrikas. Auf der anderen Seite gibt es Camps Bay, das „Saint Tropez of Cape Town“, das durch seine weißen Strände und seine riesigen Villen direkt an der Atlantikküste besticht. Besonders beeindruckt hat mich in diesem Zusammenhang die Geschichte des District Six: Vor Beginn der Apartheid lebten in diesem Distrikt Bevölkerungsschichten unterschiedlicher Hautfarben zusammen, weithin war es als Viertel des Jazz bekannt. Dem Apartheidregime war dieser Distrikt ein Dorn im Auge; 1966 wurden seine Einwohner in die Peripherie Cape Towns zwangsumgesiedelt und District Six zur „weißen Zone“ erklärt. Die Häuser der Bewohner wurden abgerissen, viele Teile des Viertels blieben allerdings auch von den neuen Bewohnern unbebaut. Bis heute ist District Six so erhalten geblieben; die kahlen, grasüberwachsenen Flecken erinnern an eine Zeit, in der den ursprünglichen Bewohnern Leid und Unrecht zugefügt worden war.

Spannend ist darüber hinaus ein weiteres Viertel von Cape Town, Bo-Kaap, dessen grellbunt gestrichene Häuser charakteristisch und einmalig sind. Als die muslimischen Cape Malays aus der Sklaverei entlassen wurden, gründeten sie dieses Viertel. Laut unseres „Free-Walking-Guides“ ist Bo-Kaap das letzte erhaltene Viertel des „alten“ Cape Towns; den Vorfahren der heutigen Einwohner ist es darüber hinaus zu verdanken, dass kap-malaiische Speisen und Gerichte in Südafrika heimisch wurden.

Insgesamt kann ich sagen, dass eine Woche nicht ausgereicht hat, um wirklich alles von Cape Town zu sehen und kennenzulernen. Das ist definitiv ein Grund, um wiederzukommen. Bis es soweit ist, hänge ich meinen Gedanken an Südafrika nach. Und wende mich wieder dem Schneetreiben zu.

(Danke an meine Schwester, die mir einige der Fotos zur Verfügung gestellt hat.)

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