Troubleshooting with Airbears

„I came into this world anxious to uncover the meaning of things, my soul desirous to be at the origin of the world, and here I am an object among other objects.”

An diesem Satz bleibe ich hängen und über dieses Zitat Frantz Fanons könnte ich nun lange nachdenken, doch etwa viel Banaleres beschäftigt mich: Ich sitze in der Bibliothek und komme nicht ins Internet. Ich bin nicht zwischen anderen Objekten, ich bin gerade abhängig von einem Objekt. Ich kann nicht googlen.  Dieses Problem habe ich schon seit Wochen immer wieder und es scheint weniger an der UC, sondern mehr an meinem antiquierten Laptop zu liegen. Zu Hause habe ich Internet, aber dort arbeite ich nicht gerne. Erstens bin ich ein Bib-Lerner, der umringt von anderen Menschen, die beschäftigt sind, oder zumindest so wirken, erst richtig in Fahrt kommt. Zweitens habe ich zu Hause keinen Schreibtisch und lenke mich dann ständig ab. Zudem kann ich einfach nicht im Bett lernen. Manche mögen das gemütlich finden, für mich ist das Bett ein Ort zum Schlafen; mal abgesehen von den Rückenschmerzen, die so ein In-bed-home-office mit sich bringt. Bevor der Lauf der Prokastination mich also in seine Abwärtsspirale führt, bleibt mir nur noch die Flucht in die ehrwürdigen Hallen der Doe-Library. Dort sitze ich dann ohne Internetz.

Lange hatte ich den Gang zum Service Desk vermieden, doch nun ist es ausweglos. Mein Überleben hängt zunehmend von einer W-Lan-Verbindung ab, ich spüre es. Nach etwa 100 Fehlversuchen, mich mit eduroam (soll ja scheinbar überall funktionieren), CalVisitor, BCast und anderen kreativen Netzwerknamen zu verbinden, Treiber-Aktualisierungen und der Lektüre von Anleitungen im Netz, sehe ich es endlich ein. Das muss extern gelöst werden.

Am Service Desk sitzt ein Inder. Sorry for being racist, aber das gibt mir irgendwie Hoffnung. Er selbst greift meinen gedanklichen Sparwitz auf und meint, dass er trotz indischer Herkunft keine Ahnung von IT habe, er sei Bibliothekar. Da er aber aus einem Drittweltland komme, sei er gewohnt, alternative Lösungswege zu finden. Ob man da jetzt lachen darf? Wir lachen beide. Ich solle ihm das Problem mal zeigen und verkable meinen Laptop. Eine Akkulaufzeit über 15 Minuten kennt der nämlich auch nicht mehr. Wir betrachten gemeinsam, wie sich bei jedem Login-Versuch die Windows-Fehlersuche abmüht und dann vorschlägt, den Router aus- und einzustecken. Klar. Andere Studierende und Mitarbeiter kommen hinzu und zeigen Hilfsbereitschaft. Das wird hier ja großgeschrieben. Intelligente Ansätze, wie „Neustarten“ werden angebracht. Nicht, dass ich das bereits mehrfach versucht habe, ich tue es dennoch. Gespannt blickt die Runde in meinen Startbildschirm, der nun hängenbleibt. Mein Computer gibt mal wieder piepsend Morsecodes von sich. Das hat etwa zwei Monate vor Berkeley begonnen. Vielleicht ist es die Überforderung.

Das laute Piepsen hallt von den Wänden und ist mir hochgradig peinlich. Alle müssen an einen Alarm denken. „Awesome“ meint einer der Umstehenden. Beim zweiten Versuch fährt der Computer dann hoch. W-Lan findet er trotzdem nicht. Der Inder schlägt AirBears als finale Lösung vor, ein separates Netzwerk mit separatem Zugangscode. Allgemeine Zustimmung. Wir kreieren also einen neuen Token für mich an einem anderen Computer und scheitern auch bei den Bären. Ich solle doch zum studentisch-selbstverwalteten IT Service gehen, der wäre auch hier im Gebäude. Das klingt nun nach einem vernünftigeren Plan und ich bin froh, der besorgten Menschenmenge entkommen zu können. Damit ich auch wirklich hinfinde, werde ich von dem Inder, der übrigens Liladhar heißt, durch die endlosen unterirdischen Gänge ins benachbarte Gebäude begleitet. Er möchte wissen, was ich studiere und welche Felder mich interessieren. Dabei stellt sich heraus, dass Liladhar ein Bibliothekar mit Spezialisierung auf Slawischer- und Ost-Europäischer Geschichte ist. Er hat einige Zeit in Serbien gelebt und ist in der Region viel gereist. Wir reden dann über Kaffetrinken in Sarajevo und ich habe zunehmend das Gefühl, dass Sarajevo der Nabel der Welt ist. Ich treffe scheinbar überall auf Leute, die sich irgendwie für den Balkan interessieren oder sogar darüber forschen. Laura würde nun meinen, das sei das Baader-Meinhof-Phänomen.

Lilhadar überlässt mich dem studentischen IT-Service nicht ohne mir vorher seine Visitenkarte überreicht zu haben. Das ist auch sehr Berkeley. Meine Freude wird jedoch schnell durch das ratlose Gesicht der Studentin am Help-Desk geschmälert. Sie könne mir da auch nicht helfen, aber sie findet auch, dass AirBears die Lösung sei. Dafür gebe es aber Spezialisten im dritten Stock. Dort schließlich angekommen, schildere ich erneut mein ganzes Problem. Ich führe die scheiternden Log-In Versuche vor, als es dann ohne Erklärung plötzlich funktioniert. Das ist wohl der Vorführeffekt. Ich bedanke mich bei der Service-Frau, dass sie mir zugesehen hat, wie ich mich ins Internet einwähle und trete glücklich aus der Bibliothek in die Sonne. Auf dem Rasen spielt gerade eine asiatische Blaskapelle einen Marsch. Hoch performativ strecken sie ihre Instrumente abwechselnd in den Himmel und wieder zum Boden. Ich bin überzeugt, dass sie meinen Internetzugang huldigen und gleich Chearleader um die Ecke kommen und unter Konfettiregen „Yeah, Bears in the air!“ rufen. Leider kommt kein Konfetti vom Himmel. Ich beschließe daher, mein drahtloses Tor zur Welt mit einem Kaffee zu genießen. Zwei Stunden hat mich diese Odysee bereits gekostet. Feierlich klappe ich mein steinzeitliches Gerät im Free-Speech-Movement-Café auf und lese: „Es konnte keine Verbindung zu AirBears hergestellt werden.“

Die Bären fliegen nur ab und an vorbei, wie ich nach einigen Versuchen festgestellt habe. Das ist noch nicht gut, aber das ist besser als gar kein Internet.

3 thoughts on “Troubleshooting with Airbears

  1. Franzi und ich feiern jedes einzelne Wort. Du hast unser absolutes Mitgefühl, aber es ist zu absurd. Wir sitzen in einem Bus irgendwo im nördlichen Vietnam, tuckeln über Landstraßen, vorbei an Reisfeldern und Einfamilienhausneubauten im französischen Kolonialstil und versuchen, uns das alles vorzustellen. Vor allem die asiatische Blaskapelle.
    Ganz liebe Grüße und gedrückte Daumen für die Airbears! Let them fly!

  2. We feel with you. Ich vermisse es so sehr, in einer hellen und ruhigen Bib zu sitzen und in vollen Zügen Internet auszuschöpfen. Auch hier ist das eine Utopie. Optimistisch bleiben: wenigstens hast du dort Kaffee:)

  3. Einfach nur großartig, habe den Text dreimal gelesen und jedes Mal wieder gelacht. Ich hoffe, die Glücksbärchis finden noch ihren Weg zu dir!

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *