„The Indian Heart of Darkness“ Der neue Roman von Mary Shelley und Bram Stoker

Eine Kommentar von Tabea W.

Der neue Roman „The Indian Heart of Darkness“ der beiden weltberühmten Erfolgsautoren Mary Shelley und Bram Stoker feierte letzte Woche auf dem Campus der Jawaharlal Nehru University in New Delhi unter den Augen der Presse seine Erstveröffentlichung. Er bietet den tausenden von Fans eine kuriose Mischung bereits vertrauter Elemente der beiden Meistererzähler im klassischen Stil der Gothic Horror Novel, aber auch – besonders durch das ungewöhnliche Setting der Handlung – ganz neue Ideen und Seiten, in welchen sich Shelley und Stoker frisch und unverbraucht präsentieren.

Zur Handlung: Shelley und Stoker entführen den Leser auf einen Campus in Delhi, ein Labyrinth aus zerfallenden Gebäuden inmitten eines dunklen Dschungels, auf welchem zwei verfeindete Grafen und ihre Anhänger um die Vormachtstellung und Kontrolle des Gebiets kämpfen und dabei zu immer radikaleren Mitteln greifen. Durch die häufigen Stromausfälle kommt es bei diesen Auseinandersetzungen kaum zu Kontakt mit der Außenwelt; der Dschungel-Campus wird zum kleinen Königreich, welches sich jeder der beiden Grafen aneignen möchte.

Auf der einen Seite steht dabei der Graf der ABVP (Akhil Bharatiya Vidyarthi Parishad = All Indian Student Council). Durch den klassischen Beginn des Romans als Briefroman wird von Beginn an impliziert, dass er durch Beziehungen seiner Familie außerhalb des Campus’ eigentlich in der stärkeren Position wäre und durch geschickte Manipulation der Nachrichtenkanäle versucht, den Campus für sich zu gewinnen. Ihm gegenüber steht ein noch junger Graf der Familie AISA (= All Indian Student Association), der sich aber mit anderen Adeligen zu einer Union verbündet hat und weniger daran interessiert ist, das Königreich zu beherrschen, als es vielmehr von der Kontrolle der ABVP-Familie zu befreien. Beide Parteien greifen zu immer dramatischeren Mitteln, um die Bewohner für sich zu gewinnen und schrecken dabei vor nichts zurück – es folgen Fackelumzüge und aufgeregte Massenaufmärsche à la Frankenstein, welche in einer zwei Tage andauernden Belagerung der Festung der ABVP Familie durch die Union der AISA kulminieren.

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Am Ende siegt dabei Shelley und Stokers bereits bekannte Ader der romantischen Moralität; es gelingt dem Grafen der AISA, die Bewohner für sich zu gewinnen und die ABVP Familie zu besiegen. Der Roman endet mit einer Rede, in welcher er dem Grafen der ABVP Gnade gewährt und ihm zugesteht, auf dem Campus wohnen zu bleiben und er weiter versichert, seine Versprechen gegenüber den Campus-Bewohnern zu erfüllen.

So spannend diese Auseinandersetzungen beschrieben sind, so fragwürdig ist Shelleys und Stokers Strategie, diese durch die Augen einer klassisch unglaubwürdigen Erzählfigur zu schildern – einer jungen Ausländerin mit wirren Gedankengängen (hier die unübersehbare Ähnlichkeit zu Frankenstein), die die Ereignisse nach langer Krankheit (Fieber und Magen-Infekt; die Details bleiben den Lesern zum Glück erspart!) erlebt und gleichzeitig passagenweise so mit ihren Emotionen und Problemen beschäftigt ist, dass die politischen Kämpfe völlig in den Hintergrund treten.

Die Protagonistin lebt mit zwei weiteren Frauen in einer kleinen Hütte, weit von den Sitzen der Grafen-Familien entfernt, wo nicht nur die Grenzen zwischen politischen Oppositionen verschwimmen, sondern auch scheinbar die Grenzen zwischen Realität und Übernatürlichem – ein Kampf ums Überleben, der sich mehr und mehr verschärft!

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In den Handlungssträngen rund um die Protagonistin erkennt man deutlich Stokers Federzug – nicht nur, dass eine der Mitbewohnerinnen bei Tag regelmäßig in einen koma-ähnlichen Tiefschlaf verfällt und dafür nachts aktiv wird – ob sie tatsächlich ein Vampir ist, bleibt im Roman ungeklärt!

20160910_154824 (Einverständnis zur Veröffentlichung wurde zuvor eingeholt 😉 )

Darüber hinaus sehen sich die drei immer wieder persönlichen Attacken durch wilde Tiere ausgesetzt, welche zumeist parallel zu den Kämpfen der Grafen stattfinden und eine tiefere, schwarz-magische Verbindung der Handlungen implizieren: Der Höhepunkt der Auseinandersetzungen der politischen Parteien spiegelt sich in einem Kampf der drei Frauen gegen einen Frosch, einen Gecko und zwei riesige Kakerlaken wider. Hilfe erreicht sie wiederum nur kurzzeitig von außen und sie schützen ihre Hütte für den Rest der Handlung mit Knoblauch, wonach die Angriffe – vielleicht ein wenig sehr klischeebeladen – tatsächlich aufhören.

Inwiefern sich aber die politischen Klärungen auf das weitere Leben der Protagonistin und der anderen Campus-Bewohner auswirken werden, sich also der Raum der „Darkness“ lichten wird, bleibt ebenfalls durch das relativ abrupte Ende der Handlung offen.

Wie gewohnt vermeiden Shelley und Stoker ein ultimatives, „rundes“ Happy End, sondern lassen durch den offenen Schluss Raum für Fragen, sowohl die der Leser, als auch die der Charaktere.

So möchte auch dieser Kommentar kein absolutes Urteil über den Roman fällen: Eine brillante Neuerscheinung der beiden Größen Shelley und Stoker? Oder the horror, the horror? Das, liebe Leser, können am Ende nur Sie entscheiden!

 

3 thoughts on “„The Indian Heart of Darkness“ Der neue Roman von Mary Shelley und Bram Stoker

  1. Da muss ich jetzt kurtz mal drüber nachdenken… auf jeden Fall ist das alles noch epischer als bereits vermutet!

  2. Din Kritik vermittelt zwar ein äußerst präzises und atmosphärisches Bild des literarischen Werkes, lässt jedoch, wie der Roman selbst, den ortsunkundigen Leser ein wenig ratlos zurück. Bedienen sich Shelley und Stoker des indischen Lokalkolorits lediglich als exotisierendes Setting für den fieberhaften Gemütszustand der Heldin? Oder liegt dem Kern der Geschichte doch eine unter Umständen noch dramatischere Wahrheit zugrunde? Kurz: was geschah Anfang September 2016 wirklich in Delhi?

  3. Judäische Volksfront vs Volksfront von Judäa? Klingt nach einem aufregenden Buch! Kommt auf meine Leseliste 😉

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