Der Alltagsduft

Werde ich an die USA zurückdenken, dann werde ich für immer und ewig den Geruch von Wintergreen in der Nase haben.

 

Wintergreen ist überall. Im Kaugummi, der neuen Zahnpasta und in der Mundspülung. Dort ergibt es für europäische Gaumen auch noch Sinn. Recht medizinisch ist dieser Geschmack, der irgendwo zwischen Zimt, Nelke, Minze und Waldmeister liegt.

Auch das Shampoo in den meisten Motels hatte dieses eigentümliche Aroma. Damals wurde ich zum ersten Mal stutzig über diesen neuen Geruch, den ich maximal noch mit meiner letzten Zahnreinigung in Deutschland verknüpfen konnte und dem ich jede Natürlichkeit abgesprochen hatte. Ich recherchierte und von da an begleitete Wintergreen das tägliche Handeln. Es war da und ging nicht mehr weg.

Wintergreen ist ein Beerenkraut mit antiseptischer Wirkung und ist auf dem Nordamerikanischen Kontinent heimisch. Es wurde bereits von den Indianern für seine medizinische Wirkung hoch geschätzt. Wie ich nun gelernt habe, enthält das aus der Pflanze gewonnene ätherische Öl Salicylsäure und wirkt daher leicht fiebersenkend und kann rheumatische Beschwerden lindern. Eine Art natürliches Aspirin ist Wintergreen dennoch nicht, das wäre dann die vielfach wirksamere Acetylsalicylsäure. Die ökonomisch sinnvollste Verwendung des Wintergreen-Öl bleibt letztlich sein eigentümliches Aroma.

Über Raumsprays und Putzmittel ist ein Hauch von Wintergreen und Chlor in den USA nicht nur in vielen Gebäuden und Büros gegenwärtig, durch Kaugummis und Deodorants versprühen auch viele Menschen diesen Geruch. Wir begannen daraufhin zu sammeln: Die Seife an der Uni und die Duschgelspender in den Waschräumen ihrer Sportstätten, Bonbons, das Duftbäumchen im Uber, Schokolade, Toilettenreiniger und letztlich unser all time favorite – parfümierte Mülltüten. Wintergreen. Im Einsatz dieses Duftes scheinen keine Grenzen gesetzt.

Man kann Wintergreen auch trinken, dann heißt das Root Beer. Es gibt einen Grund, dass das nach Cola und Lemonade wohl populärste Soda der USA seinen Siegeszug in die Welt bis jetzt nicht angetreten hat. Sprechen wir es aus; Root Beer schmeckt wie zuckrige Mundspülung mit Kohlensäure und ist dabei tiefbraun und schaumig, wie ein Malzbier. Nebenbei bemerkt, existiert ein Dessert auf Basis der braunen Brause, das vor allem bei Kindern sehr beliebt ist. Dieses Konglomerat aus Root Beer, Vanilleeis und Sahne nennt sich Root Beer Float und hat sich in meiner geschmacklichen Vorstellung zu einer albtraumhaften Variation von Eiskaffee mainifestiert.

Es ist schwierig, einen Geschmack nun als berechtigte Erfrischung zu Burger und Pommes zu akzeptieren, den man gerade irgendwie mit Zahnhygiene in Verbindung gebracht hatte und der seit kurzem auch mit dem Toilette-Putzen in Verbindung steht. Muss man ja auch nicht. Trotz Wintergreen-Duftsozialismus bieten die USA eine enorme Fülle an positiven kulinarischen Entdeckungen, die über die Viertel der Communities regelmäßig Urlaubsfeeling verspricht.

Eine weitere absonderliche Softdrink-Variante ist übrigens Cream Soda, das zunächst wie Tonic Water aussieht, jedoch, wie der Name vermuten lässt, irgendwie nach Sahne schmeckt. Die Hybriden der US-Küche haben viele, gelinde gesagt, interessante Variationen, wobei Fett, Zucker und Erdnussbutter meistens eine wichtige Rolle spielen. Das ist kein Klischee. Aber das ist eine andere Baustelle.

8 thoughts on “Der Alltagsduft

  1. Wahrscheinlich kommt ihr wieder und alles zuhause riecht komisch 🙂 das einzige vergleichbare hier ist Matcha. Soweit ich das bisher sehen konnte nur als Flavour im Essen, dafür gibt’s aber alles, überall: Matcha-Eis, Matcha-Oreos, Matcha-Kitkat (die Schokolade ist dann hellgrün), usw.

  2. Zu Gerüchen: vielleicht kennt jemand von euch die auch bei uns heimischen ominösen “China-Läden” (diese Chinos für alle spanischsprechenden Latinas hier), in denen sämtliche alltags-relevanten Artikel in Neonlicht getaucht bis zur Decke gestapelt werden? “Super billig” versteht sich? Dieser merkwürdige Geruch von ungesundem Plastik? Chemikalien? getrocknetem, angeblich essbarem Nicht-Identifizierbarem? Was es auch immer ist. Intensiv und unbekannt.
    Das ist authentisch!! So riecht es hier an jeder Ecke! Schlägt einem ins Gesicht.

  3. Finde es super spannend, dass auch du so sehr auf Gerüche achtest. Wenn ich einen Raum betrete, ist der Duft so ziemlich das Erste, was mir auffällt. Hier in Buenos Aires riechen viele Leute nach einer bestimmten Art Waschmittel (oder vielleicht riechen alle Waschmittel gleich?), und auch die Shampoos sind irgendwie eins. Habe auch schon diverse Sorten Seife getestet: Kokos, Rose, Standard die nach nichts wirklich riecht wie in Deutschland… Und auf der Straße ist der Geruch aufgrund der Tretminen und aufgrund anderer Hinterlassenschaften oftmals noch weniger angenehm.
    Mein Favorit sind jedoch eure parfümierten Mülltüten! Wie großartig ist Amerika. Alles Gute für dich und die anderen, nach der Zeit habt ihr alle Blutgruppe Erdnussbutter.

    1. Blutgruppe Erdnussbutter ist gut 😀 Ich hatte gestern mit Laura wirklich einen kleinen Frozen-Yoghurt-Exzess: Selbstbedienung, Bezahlung nach Gewicht. 10 verschiedene Geschmacksrichtungen und mindestens 30 Toppings; von zerkrümeltem Reese’s über Erdbeeren bis zu sauren Gummibärchen konnte man sich alles reinhauen – nicht zu vergessen: Caramell- und Marshmallow-Sauce oben drauf. Das hört sich nicht nur nach Herz-Kresilauf-Kollaps an, ich hatte tatsächlich ein bisschen Magenschmerzen danach. Aber hat sich gelohnt. 🙂

  4. Hab heute Abend im Kino aus Versehen Cream Soda bestellt. Großer Pappbecher, kühl, klinkernde Eiswürfel, erster tiefer, genüsslicher Schluck durch den Strohhalm…
    … abartiges Zeug.

    1. Yeah, go for it! Ich habe das Gefühl, dass viele Asiaten das Zeug ganz gerne mögen. Jedenfalls sehe ich Cream Soda meistens in der Auslagen der Asiamärkte ganz vorne einsortiert.
      Wenn du jetzt noch irgendwie an Root Beer kommst, dann wünsche ich dir bereits im Vorfeld viel Mut. Ich hab es letzte Woche nochmal versucht. Keine Chance – da gewöhne ich mich nie dran.

      Mittlerweile habe ich das Gefühl, hier kann alles Limonade werden:
      – Cheesecake Selters
      – Sparkling coconut water
      – Sparkling Juice [eher 10% Saftkonzentrat] von Heidelbeere bis Karotte-Sellerie
      – Bubble Tea in Dosen
      – to be continued…

  5. Mhhh, Cheesecake-Soda. Hab den Geschmack schon auf der Zunge. Aber hier hat auch jeder 7-Eleven (integraler Teil täglichen Lebens, ohne ginge hier nichts) Cream Soda, wir konnten es nur bis zu deinem Artikel nicht identifizieren 🙂 Root Beer wird aber schwierig.
    Versuch demnächst mal ein Bild zu machen von der “Saftapotheke” bzw. dem Gesundheitswasserautomaten. Schwer zu erklären, muss man sehen.

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