Karate-Kid begins

Ich liebe Sport – egal ob zuschauen oder selbst machen, egal ob im Team, allein, mit Ball oder Schläger, am liebsten allerdings mit Schlägen und ohne Ball. Deshalb habe ich mich hier in der ersten Uniwoche nicht nur um Undergraduate und Graduate-Kurse bemüht, sondern auch um Sportkurse.

Grundsätzlich begeistert hat mich schonmal die Trainingsintensität: mindestens drei Mal pro Woche. Weniger begeistert war ich von der Institution der Try Outs. Um am Boxtraining teilnehmen zu können, muss man eine Art Vorführtraining mitmachen. Dort wird die allgemeine Fitness getestet und man wird je nach Vorkenntnissen in Niveaus eingestuft. Dann zahlt man den Semesterbeitrag, kauft sich seine eigene Ausrüstung (für Boxlaien: Sandsack- und Partnerhandschuhe, Bandagen, Mundschutz, Kopfschutz, Schuhe) und los geht’s. Ganz schöner Aufwand für gute drei Monate Training – zeitlich und finanziell.

Kurzerhand habe ich beschlossen, dem Boxen vorübergehend den Rücken zu kehren (was man im Ring übrigens nie tun sollte). Stattdessen habe ich mich über das Martial Arts Programm informiert und den geliebten Zufall entscheiden lassen. Jetzt werde ich also Karate-Kid.

Das bedeutet zunächst einmal, dass ich lernen muss, so richtig laut zu brüllen. Tatsächlich hätte ich nicht gedacht, dass das für mich ein Problem darstellen könnte. Im Alltag bin ich nun wirklich kein zartes Pflänzchen und für mein (vor)lautes Organ regelrecht berüchtigt. Mein Kampfgebrüll ist aber leider bei weitem nicht so beeindruckend wie mein Warface (Foto auf Anfrage). Es klingt eher wie ein zaghaftes Blaffen. Vielleicht habe ich mir den falschen Schrei-Vokal ausgesucht, wahrscheinlich liegt es aber eher an einem seltsamen Schamgefühl. Ich bin immer wieder beeindruckt von den brutalen Ur-Schreien und angsteinflößenden Brüllern der anderen – ja, auch der Frauen – und bin dann tatsächlich etwas eingeschüchtert.

Hinzu kommt, dass ich mich nicht voll auf das Schreien konzentrieren kann. Ich soll dabei ja auch noch treten und schlagen und laufen und entspannt sein. Überhaupt das Entspannen: Nach fünf Minuten hatten mich sämtliche Karate-Kids als Boxerin enttarnt. Zu angespannt, viel zu viel „muscling through“ und sowieso diese komische Block-Haltung. Netterweise kümmern sich die diversen Schwarzgurte und der alte japanische Sensei darum, mir alles immer und immer wieder zu zeigen. Ich gebe mein Bestes – nicht nur sportlich, sondern auch in Sachen Sprache. Dass ich die japanischen Begriffe noch nicht kann, verzeiht mir jeder; dass mir aber auch die englischen Ansagen des Senseis wegen seines starken Akzents, gelinde gesagt, Spanisch vorkommen, verstehen die anderen nicht unbedingt.

Glücklicherweise haben sie sofort verstanden, dass ich mit den Football-Regeln nicht so vertraut bin wie mit Faustschlägen und haben mich am Freitag mit zu ihrem Dinner in eine Sports Bar genommen. Zwei Sportarten in einer Woche (mit den Bergläufen zu unserem Haus eigentlich sogar drei) – eine solide Quote.

8 thoughts on “Karate-Kid begins

  1. Ws heißt das: Du gibst dein Bestes?
    für den Japaner ist das die Seele…
    Ich drücke das Muskelpaket – nein, lieber die Seele:))

  2. Hey! Ich will hier auch Karate machen, habs leider nur noch nicht ins Training geschafft 😀 Aber am Mittwoch dann for sure. Dann sind wir schon zwei Karate Kids 🙂

      1. Bisher waren es vor allem sehr viele Verbeugungen, an die ich mich gewöhnen musste. Und man muss auch Floskeln auf Japanisch schreien, aber noch kein Kampfgeschrei. Ich muss mich ja erst mal an die Bewegungsabläufe gewöhnen, die sofort korrigiert worden sind, sobald etwas nicht stimmte. Eins nach dem anderen also 🙂

  3. Großartig! Immer mal wieder was neues.

    Hier in Hongkong gibt es für die Schulmannschaften auch Aufnahmetests. Eine Runde vorturnen unter den strengen Augen der Trainer, die sich Notizen machen und dich vermessen (ja! man wird vermessen). Erst dacht ich mir – hey das hast du auch schon lange nicht mehr gemacht (Volleyball, Badminton, Schwimmen, Tennis oder Track&Field). Daher bin ich einfach mal hin. Das war sehr naiv.

    Das ist Leistungssportniveau. Die Jungs, die mir bis zur Schulter gehen, hüpfen gefühlt beim Volleyball einfach aus dem Stand übers Netz und fegen dich mitsamt dem Ball aus dem Feld.
    Im Schwimmen konnte ich mit Technik, Körpergröße (die anderen Mädels reichten mir nicht bis zur Schulter und wiegen ca. 40kg) und “du schaffst es, nur noch 20m” überleben und bin drin. Mo, Mi und Do 2h Training.
    Die Audition beim Chor war auch zum schießen. Mr Chorleiter singt breit grinsend die Tonleiter rauf und runter und gibt hilfreiche Tipps wie “open your mouth like a cow. think of a cow” (man stelle sich noch den breiten asiatischen Akzept vor).

    1. Super spannend! Da musst du unbedingt nochmal mehr und im Detail drüber schreiben! So viele Freizeitaktivitäten – bin sehr sehr gespannt auf deine kommenden Berichte!

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