5. Im Skatepark

Das Leben in der Bay und deren unterschiedlichen Bewohner*innen  kann man in einem Semester an der Uni natürlich nur im Ansatz begreifen und erleben. Ein spezieller Ort, der mir in der Fremde stets geholfen hat, war und ist der Skatepark. Als langjähriger Skater habe ich mich speziell auf meinen Aufenthalt in Kalifornien gefreut. Hier wurde nämlich der Sport der Lifestyle (😉) erfunden, hier sind die ganzen Skate-Firmen, die krassesten Skate-Parks und die besten Skater. Und wirklich es wimmelt von ihnen, auf Gefährten in allen Formen. Besonders an der Uni findet sich ein sehr speziellen Typ Skater: elektrische Skateboards sind gerade wohl schwer in Mode, weshalb man immer mal wieder junge Menschen hoover-board-mäßig über den Campus rasen sieht. Ich bevorzuge da  lieber die Oldschool-Variante ohne Motor. Gerade in San Francisco, das an Hügeln sogar Stuttgart in den Schatten stellt, rauschten beim Bummeln ständig eine Gruppe Rollbrettfahrer*innen an mir vorbei. Als kleinen Einblick empfehle ich dieses Video. Die Straße in min 0:48 ist übrigens die des Hostels, in dem ich die ersten zwei Wochen untergekommen bin. Wenn man in der Straße steht, ist es U N V O R S T E L L B A R, dass hier jemand mit einem Skateboard runterfahren könnte.

Absurde steile Straßen können die Skater in San Francisco nicht abschrecken. Rechts in grün: Das Hostel, in dem ich nach Ankunft mit Helen untergekommen bin.

Aber das sind die Extreme. Für mich war skaten in Kalifornien meist eine gemütliche Runde im Skatepark Emeryville, 5 min von meinem Haus entfernt. Der Park liegt übrigens direkt neben dem Gelände von Pixar, der berühmten Animationsfirma von der man munkelt, sie habe den Skatepark der Stadt gespendet. By the way Philantropie in den USA, auch ein spannendes Thema, aber nicht für nicht für diesem Text. Für mich war dieser Skatepark der Ort in der Bay, an dem ich Leute außerhalb meiner WG und der universitären Bubble kennenlernen konnte. Corona ist sicherlich ein Faktor, der die Isolation in der eigenen sozialen Sphäre auch in den USA vorangetrieben hat, aber auch sonst leben in der Bay sehr viele Menschen in sehr unterschiedlichen Realitäten. Es gibt sehr reiche Menschen, sehr arme Menschen, unterschiedlichste Nationalitäten, racial injustice, queere Communities, obdachlose Menschen, die Akademiker*innen, die Tech-Branche… Alle koexistieren an diesem Ort. Schnittpunkte, an denen diese Realitäten aufeinandertreffen, sind immer besonders, denn oft scheinen die Realitäten weit entfernt voneinander oder gar konträr. Ich habe mich immer über Möglichkeiten gefreut, aus meiner Uni-Blase herauszukommen, was Dank einer Berufstätigen-WG in Oakland und z.B. dem Skatepark auch gut funktioniert hat.

Der Skatepark ist ein gemeinsamer Nenner, der eine bunte Gruppe Menschen aus den unterschiedlichsten Kontexten immer wieder versammelt. Skaten ist in den USA glücklicherweise sogar noch weniger die nischige Männerdomäne, wie es in Deutschland bis vor kurzem noch der Fall war. Nein, im Emeryville Skatepark treffen sich Leute auf Inlineskates, BMX, Skateboards jeglichen Geschlechts und Alters. Am meisten haben mich die älteren Skater beeindruckt, die Tricks auf dem Kasten haben, von denen ich nur träumen kann. Die „Subkultur“ skaten ist hier einfach anders etabliert, älter und selbstbewusster. Es ist kein Sport der jungen Leute. Es ist ein Sport für alle. Ich schloß hier zwar keine Freundschaften, die über den Skatepark hinausreichten, trotzdem war ich jedes Mal wenn ich vorbeikam gleich Teil der kleinen Emeryville-Skate-Gemeinde. Man begrüßt sich, man schwatz kurz, man fährt eine Runde, man kriegt ein Bier angeboten.  Alle genießen hier ihren Feierabend, viele davon jeden Abend. Für mich war es auch ein Ort mehr zu erfahren, über die Leute aus der Bay, die um die Ecke im Supermarkt arbeiten, die noch zur Schule gehen, die im Handwerk tätig sind … Ein Ort, an dem ich Alltagsgeschichten hören konnte, die ich sonst nicht kennengellernt hätte. Und diese waren nicht immer leicht. Einer der Skater war obdachlos und schlief zwischenzeitlich im Park, ein anderer war schon im Gefängnis. Viele sind genervt und ausgelaugt von ihrem Job, viele trinken und kiffen jeden Tag. Trotzdem bleibt der Skatepark ein Ort der guten Laune, auch hier wird zwar gegrindet (= Fachjargon für mit den Eisenachsen über eine Stein- oder Metallkante schlittern), aber aus Spaß und nur auf den sogenannten obstacles.

Übrigens sind im Skatepark alle willkommen, auch ohne Brett. Wer das nächste Mal reisen geht, dem*der empfehle ich mal im lokalen Park vorbeizugucken. Ich mache immer gute Erfahrungen, worldwide, so auch in der Bay. California rolls!

Mein Angstgegner: die Bowl im Emeryville-Skatepark.

 

Emeryville-Skatepark mit typisch blauem Himmel.

 

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