Nun ja, diese zwei Dinge sind im Shanghaier Alltag wohl so präsent wie kaum etwas Anderes (würde ich jetzt mal leicht überspitzt behaupten). Egal ob in der Metro, im Bus, auf der Arbeit, beim Shoppen, im Restaurant oder einfach nur beim Spazieren gehen, das Smartphone in der einen Hand und ein gigantischer Becher Bubble Tea (meist in einer Plastiktüte zum besseren Transport) in der anderen Hand, dürfen nicht fehlen. Besonders in der Metro wird mir dieses Bild immer wieder vor Augen gerufen. Ganz egal in welche Richtung ich auch schaue, ich sehe ins Smartphone vertiefte und dabei am Bubble Tea schlürfende Menschen. Immer wieder ein witziger (oder vielleicht eher trauriger?) Anblick, wenn man den weiten Metrogang entlang späht und die große Mehrheit runter aufs Handy schaut (das meistens durchgehend und nicht nur mal kurz). Hochblicken ist hier schon eine Seltenheit. Ich meine klar befinden wir uns im Zeitalter von Social Media und Digitalisierung, aber so eine extreme Smartphonebenutzung habe ich bisher noch nicht erlebt. Ganz besonders meine ich damit auch die Smartphone-Kultur während des Essens. Da ich gerade für einen Kurs in der Uni ein Field Journal zum Thema Essen gemacht habe, habe ich da in letzter Zeit verstärkt drauf geachtet. Das etwas schockierende so wie traurige Ergebnis meiner Essensbetrachtungen war unter anderem, dass Smartphones beim Essen nicht nur bei fast allen auf dem Tisch liegen sondern auch bei den meisten durchgängig während des Essens benutzt werden. Auch wenn mehrere Personen zusammen essen waren, wurde das Smartphone häufig einer Unterhaltung vorgezogen. So war die face-to-face Kommunikation extrem gering und die digitale Kommunikation über Social Media dominierte. Da sieht man mal, was für einen Einfluss das Smartphone auf uns hat. Ich würde sogar sagen, dass das Smartphone hier einen höheren Stellenwert als der Geldbeutel hat, da es hier als Zahlungsmittel Nummer 1 fungiert. Bargeld ist hier nur noch eine Rarität, WeChat Pay oder Alipay sind die Norm. Egal ob man sich für umgerechnet knapp 40 Cent eine Cola kauft oder ein Fahrrad für umgerechnet ca. 45 Euro, man zückt sein Smartphone, öffnet WeChat oder Alipay, scannt den Barcode des Verkäufers oder umgekehrt (manchmal muss man noch die Summe und den persönlichen Bezahlungscode eingeben) und schon ist die Transaktion in nur wenigen Minuten erledigt. So einfach und bequem geht das alles dank Smartphone! Spart auf jeden Fall Zeit und reduziert Gewicht, da man die Münzen und ganzen Geldscheine nun nicht mehr mitschleppen muss. Ich frage mich nur, wie man bezahlen will, wenn mal der Akku des Smartphones leer ist oder das Smartphone aus anderen Gründen nicht funktioniert (da die meisten hier wirklich gar kein Bargeld mehr mit sich tragen). Die Bezahlfunktionen des Smartphones sind natürlich auch ein Datenfresser. Wieder etwas, wo man sich mit all seinen persönlichen Daten registrieren muss. Aber da es hier im Alltag einige Dinge erleichtert, habe auch ich mich dazu durch gerungen ein chinesisches Bankkonto einzurichten, um WeChat Pay zu nutzen. Ich habe aber immer auch Bargeld für Notfälle dabei, man weiß ja nie! So ganz traue ich meinem Smartphone dann doch nicht und eine hundertprozentige Abhängigkeit vom Smartphone wäre auch nicht meins.
Generation Smartphone macht sich auch akustisch durch einen hohen Geräuschpegel bemerkbar: Hier ein klingelndes Handy, dort wird telefoniert ein Videoclip angeschaut oder Musik gehört und zwar all dies in der Regel ohne Kopfhörer. Warum viele hier keine Kopfhörer benutzen, war mir vom ersten Tag an ein Rätsel. Vielleicht bevorzugt man hier ja Dauerbeschallung? Oder die Leute sind hier einfach abgehärteter (scheint mir wahrscheinlicher)? Ich meine in einer pulsierenden Metropole mit so vielen Menschen ist Abwesenheit von Ruhe und Stille die Norm.
Die zweite Sache, die hier neben dem Smartphone sehr verehrt wird ist Bubble Tea in all seinen Variationen und Farben. Die Basis dieses Getränks bildet gesüßter Tee (man kann hier auswählen wie viel Zucker man möchte auf einer Skala von 0-100%), der häufig mit Sirup oder Milch versetzt wird und so einem Milchshake ähnelt. Was ihn aber vom Milchshake unterscheidet sind die zugefügten farbigen Kügelchen z.B. aus Speisestärke. Manche von den Kügelchen beinhalten eine flüssige Füllung und zerplatzen beim drauf beißen. Es gibt hier aber noch eine Menge anderer Toppings, die man anstelle von Kügelchen seinem Bubble Tea beifügen kann: Jelly Stückchen in verschiedensten Geschmacksrichtungen, Fruchtstückchen, Eis, Pudding etc. Man kann hier aus den verrücktesten und buntesten Kombinationen wählen. Die Hauptsache ist, dass es super süß ist und künstlich aussieht. Ich finde es sehr interessant zu beobachten, dass der Bubble Tea Trend hier in seiner vollen Blüte zu sein scheint, während er bei uns schon länger wieder weg vom Fenster ist und auch nie so wirklich Fuß fassen konnte. Hier ganz im Gegenteil: Bubble Tea Shops mit langen Schlangen davor befinden sich an jeder x-beliebigen Ecke. Nichts geht über einen guten Bubble Tea!!!
Spannende Themen! Danke, dass du uns am chinesischen Leben teilhaben lässt. Dabei musste ich daran denken, wie ich mit dir zusammen meinen ersten und einzigen 😉 Bubble Tea in Berlin Mitte getrunken habe, some years ago!!
Ich freue mich auf den nächsten Eintrag!