Mein erster (noch unfertiger? Vielleicht am Ende revidierter?) Blogeintrag

Ich finde mich zwischen unendlich vielen, sich laut unterhaltenden jungen Studierenden wieder. Die mit dem blauen Band um den Hals, das sind die „Internationals“, zu denen ich nun also gehöre.

Gestern fühlte ich mich nicht wohl in dieser Gruppe.

Man fragte nach dem Herkunftsland, dem Namen, dem Studiengang. Ich spürte meinen Unwillen, darauf Antwort zu geben. Das Herkunftsland als Auskunft steckt in eine Schublade, die gleichzeitig so wenig aussagekräftig ist. Wir alle sind internationale Studierende, im ähnlichen Alter, mit den nötigen finanziellen Möglichkeiten, in Kanada zu studieren; die meisten sprechen problemlos Englisch. Ich lebe auf dem Universitätscampus. Hier wird sich wohl die meiste Zeit meines Lebens abspielen. Mir scheint, als hätten die mich umgebenden “Internationals” viel mit mir gemein.

Kulturelle Unterschiede erscheinen mir so irrelevant vor diesem Hintergrund. Schon bald nach der Ankunft in Toronto habe ich mich darin bestätigt gefunden, den Begriff Kulturschock hinter mir zu lassen. Vielleicht betreffen meine Überlegungen dazu vor allem mein derzeitiges Land Kanada und mich. Vielleicht aber auch nicht?

Ich nehme hier einfach wahr, dass manches neu und ungewohnt ist. Es ist ungewohnt, in einem Street-Car in Toronto „Menschen aller Couleur“ zu sehen: Menschen jeden Alters, mit unterschiedlichster Mode, jeglicher Hautfarbe, Religion, Bekleidung. Meine Augen sehen immer etwas Neues. Ich bin es nicht gewohnt. Dabei ist das wohl ein besonders „torontianischer“ Anblick und nicht überall in Kanada so.

Es ist für mich ungewohnt, auf jeden zu zahlenden Preis die erhobene Steuer selbst hinzuzählen zu müssen. Es gibt sprachliche Besonderheiten, an die ich mich erste werde gewöhnen müssen. Das „Excitement“ vieler Sprecher, das für mich immer ein bisschen übertrieben scheint. Auch das in Quebec gesprochene Quebecoise, ein Französisch mit starkem Dialekt, ist für mich ungewohnt. Die freundlichen Fahrer jedes bisher genutzten öffentlichen Verkehrsmittels, die uns oft ohne Bezahlung durchgewunken haben und immer persönlich dafür gesorgt haben, dass Charlotte und ich am richtigen Ort ausgestiegen sind.

Kultur ist für mich Gewohnheit und Gewöhnung. Eine Einschleifbewegung, wie es Montaigne so schön sagte. Viel mehr hat es vielleicht nicht auf sich mit dieser ‚Kultur‘. Und darum ist ein „Kulturschock“ meiner Meinung nach einfach etwas für mich Neues und Fremdes. Etwas aber, an das ich mich mit mehr (oder hier in Kanada weniger) Zeit gewöhnen kann.

Wie kann ich hier in einer Gruppe von „Internationals“ meinen Studiengang so repräsentieren, wie ich ihn bisher verstanden zu haben glaube? Ich, die ich mir bewusst bin und immer war, was ich gewählt habe: Kanada, als Land, in dem ich meine berühmte ‚Comfortzone‘ in viel geringerem Maße zu verlassen gezwungen werde als vielleicht in anderen außereuropäischen Ländern. In Guelph, Kanada kann ich meinen gewohnten Lebensstandard aufrechterhalten und werde wahrscheinlich sogar sprachlich wenig Probleme haben. Ich habe gewusst und bewusst ein Leben gewählt, in dem ich vermutlich mein sportliches Interesse verfolgen kann und mich frei bewegen kann. Ich kann, was ich in meinem bisherigen Leben gelernt zu haben glaube und die Art eines Alltags, den ich führen will, hier mehr oder weniger verwirklichen.

Mir geht es gut. Ich habe ein nettes Zimmer, bald Mitbewohner, sehe mich ab der kommenden Woche an interessanten Kursen an der Uni teilnehmen. Ich bin hier mit einer sehr guten Freundin. Charlotte und ich haben eine zweiwöchige Reise hinter uns. Urlaub haben wir gemacht, im Algonquin Nationalpark, in Montreal, in Ottawa. Wir hatten eine richtig gute Zeit. Uns gefällt das Land; bis jetzt sind wir sehr vielen sehr freundlichen Menschen begegnet. Wir haben gut gegessen und interessante Menschen kennengelernt. Wir frieren nicht und fühlen uns wohl.

Aber gerade bin ich nicht zufrieden.

Wie muss ich meinen kommenden Alltag gestalten, dass er sich abhebt von dem Alltag, den ich in Konstanz führen würde? Wie kann ich Unterschiede (neben einem größeren finanziellen Aufwand) in meinem Leben hier zu meinem Leben in Konstanz finden, die meinen Horizont erweitern und Herausforderungen bieten, denen ich in Konstanz nicht hätte begegnen können? Oder werde ich die kommende Zeit einfach gut zu gestalten versuchen, viele Outdoor-Aktivitäten mitmachen, das landschaftlich schöne Kanada genießen, vielleicht Freundschaften mit Internationalen Studierenden schließen und ansonsten viel mit Seminaren beschäftigt sein?

Clara

 

 

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