Nachdem ich nun schon ungefähr drei Wochen – keiner weiß es so genau, denn mit der Ankunft haben wir alle irgendwie unser Zeitgefühl verloren – hier bin, habe ich zum ersten Mal Zeit, innezuhalten und meine bisherigen Erfahrungen hier festzuhalten. Und obwohl ich am Anfang gesagt habe, dass ich bestimmt nichts schreiben werde und höchstens ein paar Bilder poste, habe ich mittlerweile doch sehr viele Notizen für meinen Blogeintrag gesammelt.
Aber eigentlich habe ich für sowas ja keine Zeit 😉, auch jetzt merke ich, dass ich eigentlich bereits dabei sein sollte, die nächsten 100 Seiten zu lesen und meine Hausarbeit vorzubereiten, denn ja genau, in der ersten Uni-Woche (nach jeder Menge Kurs- und Anmeldungschaos) und mit bisher nur einem angefangenen Kurs, bin ich entweder damit beschäftigt, den Aufgaben für die Uni hinterher zu rennen und zu lernen oder mir ein Bild von Südafrika zu machen und Pläne zu schmieden, wie man diese restlichen fünf Monate, die einem auf einmal viel zu kurz vorkommen, am besten verbringen kann.
Aber mal von vorne: Die erste Zeit nach meiner Ankunft war ich total überfordert, aber auch begeistert. Es gab so viel Neues, so viele neue Leute und diese ganzen Kategorien und Erwartungen, die ich in meinem Kopf hatte, welche ich immer wieder dekonstruieren und neu konstruieren und erweitern musste. Dies ist natürlich aufregend, aber auch ermüdend. In meinem Zimmer, was zwar ein bisschen an eine Gefängniszelle erinnert, aber um einiges größer und heller ist, als meins daheim 🙂 und in meiner 8-Mädels-WG habe ich ziemlich schnell einen Wohlfühlort gefunden.
Obwohl es einem hier, gerade am Anfang, eher wie Klein-Europa vorkommt, da die meisten Internationals aus Europa kommen und man gerade am Anfang natürlich vor allem mit ihnen Kontakt hat, wird mir dennoch immer wieder bewusst, ich bin in SÜDAFRIKA, ein Land mit viel Geschichte und ein Ort, an den ich schon immer mal wollte. Ich finde mich jeden Tag aufs Neue immer wieder mitten drin in der wahnsinnig prägenden Geschichte dieses Landes.
Nicht nur durch das kühle Wetter (ja, es ist Winter mit 20 Grad und wir frieren hier😉), die Zäune überall und das ständige Thema der Sicherheit, merkt man, dass man nicht mehr im schönen Konstanz ist, sondern in Südafrika, welches von Abgrenzung und Rassismus geprägt ist. Und gerade diese Thematiken sind mir hier auch am meisten aufgefallen.
Natürlich kann es sein, dass ich diesem Thema gegenüber besonders sensibel bin, da dies auch eines meiner Hauptthemen ist, mit welchem ich mich daheim, im Alltag und im Studium beschäftige und ich daher das Gefühl habe, ständig damit konfrontiert zu werde. Aber auch den anderen Internationals ist die Kluft zwischen „schwarz“ und „weiß“ aufgefallen. So hat uns schon gleich unsere erste Tour durch Pretoria darauf aufmerksam gemacht, dass das Thema der Apartheid noch lange nicht vorbei ist. Ohne großes Wissen haben wir Denkmäler besucht, die die Taten der weißen Einwanderer an den hier lebenden Menschen ohne jegliche Reflexion feiern und verehren. So brennt das “light of civilization” welches nach die Vooretrekker nach Südafrika gebracht haben, immer noch im Vortrekker Monument. Eine Denkmal an die Zulu-Krieger, die hier Umgebracht worden, ist nicht zu sehen.
Zusätzlich habe ich mir aber auch entsprechende Kurse gesucht, in denen Themen wie Rassismus, schwarz, weiß, Europa, Afrika, Südafrika, Gesellschaft, Identität und so weiter, immer wieder behandelt werden. Aber vor allem im alltäglichen Leben ist das Thema ständig präsent, noch mehr als ich erwartet hatte. Nicht nur wird mir zum ersten Mal in meinem Leben meine „Weißheit“ wirklich bewusst gemacht, und ich werde aufgrund meiner Hautfarbe auch zum ersten Mal abgelehnt. Aber ich bekomme auch, aufgrund meiner „Weißheit“, Privilegien zu spüren und werde Kategorien wie „deutsch“, „europäisch“, „eurozentristisch“, „reich“, „weiße Frau“, „international“, “Tourist”, “will nur Party-machen” oder dergleichen zugeordnet, zu denen ich mich bisher gar nicht zugehörig gefühlt habe.
Aber als „outsider“ und „Europäer“ sehe ich von außen auch, wie sehr sich die Menschen in Südafrika selber täglich und ständig mit dem Thema „black and white“ beschäftigen. Durch meine bisherigen ersten, wirklich nur an der Oberfläche-kratzenden Erfahrungen und Eindrücke, habe ich hier aber eine große Kluft gespürt. So gibt es “weiße” und “schwarze” Bereiche (Bars, Parties, Gruppen, Paare, Gebiete) und das übertreten in den jeweils anderen Bereich ist von beiden Seiten eher mit Hemmungen verbunden. Ich bin mir jedoch sicher, dass es auch die Verbindung und das Überbrücken-wollen der beiden gibt. Aber hiernach, bin ich noch auf der Suche.
Doch gerade diese Prozesse zwischen den Menschen sind für mich einerseits faszinierend, andererseits aber auch erschreckend. Und gerade das, in Kombination mit der Offenheit und Herzlichkeit der Menschen hier, die es schaffen, eine mehr oder weniger langweilige Univeranstaltung in eine Party zu verwandeln, ist es was mich hier fasziniert und worüber ich noch mehr erfahren möchte. Ich war, bin und werde bestimmt auch noch die ganze restliche Zeit damit beschäftigt sein, Dinge zu konstruieren und zu dekonstruieren, Prozesse zu sehen und verstehen zu wollen und zu lernen.
Meine lieben KGE´ler, bei euch geht es auch bald los! Und ich kann euch nur sagen, freut euch drauf, lasst euch drauf ein und nehmt alles mit. Es wird eine tolle Zeit!
Ein paar weitere Eindrücke:
Pretoria und die Nelson Mandela Statue
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