Frohes neues Jahr! ¡Feliz Año Nuevo!
Mein letzter Blogeintrag liegt nun auch schon acht Wochen zurück. In der Zwischenzeit ist ziemlich viel passiert und leider war die Zeit zu knapp, meine Erlebnisse und Erfahrungen in Worte zu fassen – ein Problem, dass ich sicherlich mit vielen meiner Kommilitonen teile. Vor Beginn des Auslandssemesters hatte ich mir viel zu optimistisch vorgenommen, wöchentlich oder zumindest alle zwei Wochen einen Blogeintrag zu posten. Daraus ist leider nichts geworden. Aber ich möchte meine letzten Tage in Chile noch dafür nutzen, zwei Einträge zu verfassen, die ich mir in meinem Kopf schon seit Längerem zurecht gelegt habe. Einen Eintrag möchte ich meinem Studium am IDEA, meinen Kursen und den Themen widmen, mit denen ich mich in den letzten Monaten beschäftigt habe. In dem zweiten Blogeintrag möchte ich über meinen Aufenthalt in Chile und meine persönlichen Erfahrungen reflektieren. Dieser Eintrag ist quasi als eine Art Résumé meines Auslandssemesters zu verstehen. In den letzten fünf Wochen so viele Eindrücke auf mich eingeprasselt, dass ich erst einmal etwas Zeit brauche, um diese zu verdauen. Ich war gefühlt jeden Tag an einem anderen Ort, bin kaum zu Ruhe gekommen, hatte insgesamt viel zu wenig Schlaf und stand gewissermaßen ständig unter Strom. Aber es war auch ein schönes Gefühl, jeden Tag draußen in der Natur zu sein und Neues zu sehen und zu erleben. Den ganzen November hatte ich am Schreibtisch gesessen und meine Abschlussartikel geschrieben und meine letzten Präsentationen vorbereitet. Auch wenn mich die Themen sehr interessiert hatten und ich große Freude an den Recherchen gehabt hatte, waren die Wochen anstrengend gewesen. Feierabend konnte ich meistens erst nach den abendlichen Kursen gegen 22 Uhr machen. Umso größer war danach meine Freude auf die bevorstehende Reise durch Chile. Aber hierzu dann mehr in ein paar Tagen, denn mit Bildern lässt es sich viel schöner erzählen. 🙂
Dieser Blogeintrag dient vor allem mir dazu, wieder etwas Ordnung ins Chaos zu bringen und mal wieder “Hallo” bzw. “Hola” zu sagen. Also, ich habe die Reise heile überstanden und verbringe meine letzten Tage in Valparaíso und Viña del Mar an der Pazifikküste. In Santiago herrscht momentan eine schrecklich drückende Hitze und wer kann, der sucht am Wochenende das Weite. Auch ich werde erst nach Santiago zurückkehren, um die letzten Mitbringsel zu besorgen und mein Zeug zusammenzupacken. Der Gedanke ans Kofferpacken versetzt mich schon jetzt in schiere Panik. In den letzten fünf Monaten hat sich doch einiges an Klamotten, Geschenken, Büchern und Souvenirs angehäuft. Auch ein Schlafsack und eine Isomatte sind dazu gekommen und irgendwie muss noch eine Flasche Pisco mit nach Deutschland… Aber damit werde ich mich erst in ein paar Tagen auseinandersetzen. Jetzt sitze ich gerade in meinem Hostel auf dem Cerro Concepción in Valparaíso und versuche, ein bisschen runterzufahren. Ursprünglich hatte ich die letzten Tage in Viña del Mar verbringen wollen, um jeden Tag gemütlich an den Strand spazieren zu können, aber das wäre mir so kurzfristig ziemlich teuer gekommen. Deswegen habe ich mich für das benachbarte Valparaíso entschieden und fahre nun jeden Tag mit den Micros (lokale Busse) in den benachbarten Badeort. Für 450 CLP (knapp 60 Cent) pro Fahrt kann man sich auch wirklich nicht beschweren. Außerdem hat Valparaíso viel mehr Charme als Viña del Mar. Von meinem Fenster Blicke ich auf eine bunte Wand aus Wellblechhäusern, aus den Fenstern hängen Wäscheleinen und in der Ferne hört man den Lärm vom Hafen. Bevor ist aus der Tür gehe, muss ich aufpassen, dass ich nicht aus Versehen auf einen Straßenhund trete, der es sich auf der Türschwelle bequem gemacht hat. Valparaíso wird in jedem Prospekt und Reiseführer als eines der Highlights und “Must Dos” in Chile angepriesen. Die Hafenstadt ist in jeden Fall eine Reise wert. Ich bin jetzt zum dritten Mal in “Valpo” und entdecke immer noch neue Gässchen, neue Cafés und neue Streetart. Jetzt in der sommerlichen Hauptreisezeit drängen sich die Touristen aus aller Welt durch die Straßen und bilden lange Schlangen vor den berühmten Ascensoren, die ihre Passagiere hinauf auf die Hügel fahren. An den Miradoren (Aussichtspunkten) muss man jetzt aufpassen, dass man nicht das Ende eines Selfiesticks ins Auge bekommt. Meine Kamera habe ich im Hostelzimmer zurückgelassen. Nach den vielen fotointensiven Wochen genieße ich jetzt die Zeit ohne Kamera und kann ein bisschen sorgloser durch die Stadt streifen.
Viele Touristen, auch Chilenen, sind extra für die Silvesterfeier nach Valparaíso gereist, um sich das große Feuerwerk im Hafen anzusehen. Die Stadt ist ein beliebtes Ausflugsziel für alle Nachtschwärmer und Feierwütigen. Meine Professoren hatten mich eigentlich davor gewarnt, an Silvester alleine nach Valparaíso zu fahren, da es am Abend und vor allem in der Nacht nicht ganz ungefährlich sei. Ich hatte mir also für die Silvesternacht ein Bed & Breakfast Hotel auf einem der hintersten Hügel genommen, das mit Freigetränken, einer Dachterrasse und einem einmaligen Panoramablick auf den Hafen gelockt hatte. Der Blick war tatsächlich nicht schlecht gewesen und so war ich den gesamten Abend in Gesellschaft der anderen Hotelgäste (darunter drei Deutsche und zwei Schweizer) und dem Hotelpersonal auf der Terrasse geblieben und hatte mir das Spektakel aus sicherer Entfernung angesehen. Die ersten drei Minuten des Feuerwerks waren noch beeindruckend gewesen, dann wurde durch den vielen Qualm die Sicht auf das Feuerwerk immer schwieriger. Am Ende sah es nur noch wie ein gefährliches, rötlich gefärbtes Unwetter aus, dass vom Meer über die Stadt zog. Es wurde trotzdem ein netter Abend in lustiger Gesellschaft. Am nächsten Morgen bot sich mir bei meinen traditionellen “Neujahrsspaziergang” ein etwas schockierender Anblick. Valparaíso hatte sich über Nacht in eine große öffentliche Toilette und Müllhalde verwandelt. Der Gestank nach Urin, Exkrementen und Bier hing in der Luft und die Straßen waren übersät mit leeren Flaschen, Dosen, Feuerwerkskörpern, Partyhüten, Konfetti und anderem Zeug. Im Zickzack lief ich durch die Straßen, um den verdächtigen Pfützen auszuweichen und versuchte nicht allzu tief einzuatmen. Der Anblick der Zerstörung ließ mich erahnen, was für Szenen sich hier in der letzten Nacht angespielt haben mussten. Unterwegs laß ich Zettel von Anwohnern, die höflich darum baten, ihr Haus und ihren Vorgarten nicht als öffentliche Toilette zu benutzen – ein netter Versuch. Ein paar Ecken weiter traf ich auf einen Straßenhund, dem man einen Partyhut aufgesetzt und eine Girlande um den Hals gebunden hatte – die armen Hunde haben es hier aber auch nicht leicht. Den restlichen Vormittag verbrachte ich in einem Café, bis die Putzkolonne anrückte, um den gröbsten Dreck zu beseitigen – mit Hockdruckreiniger! Am Nachmittag sah die Stadt schon wieder einigermaßen vorzeigbar aus, aber der Geruch war noch nicht verzogen.
Man kann es wahrscheinlich nicht mehr hören: Aber es ist verrückt, wie schnell das letzte Jahr vergangen ist! Wie schnell das Semester in Chile vergangen ist! Vor genau einem Jahr habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, ob Santiago de Chile für mich die richtige Wahl ist oder nicht. Jetzt kann ich sagen: Ja, Santiago war die richtige Entscheidung und ich hatte ein spannendes, intensives und erfolgreiches Auslandssemester. Danke 2017!