Was ich noch sagen wollte. Ein Abschiedsbrief an China und besonders an Shanghai

Kann es das schon gewesen sein? Das habe ich mich die letzten Tage immer wieder gefragt. Seit dem ersten Semester ist der Auslandsaufenthalt Das Gesprächsthema unter uns gewesen. Wie oft saßen wir bei Charlotte in der Küche und haben uns über unsere Universitäten und Studienorte ausgetauscht, Flüge und Unterkünfte besprochen, über Reisepläne und schlussendlich auch Packlisten debattiert. Nächste Woche geht der Flieger und es heißt Abschied nehmen.

China, Shanghai, ich werde deinen so schön verrückten Alltag vermissen. Die Post, die einfach irgendwo auf der Straße liegt und bei Bedarf abgeholt werden kann. Die Essensstände, die bei jeder Polizeikontrolle innerhalb einer Minute verschwunden sind, egal ob das bereits bezahlte Essen noch in der Pfanne ist oder nicht. Die chinesische Wohnheim- und Campusbürokratie, die in chinesischer Sprache geregelt wird, auch wenn die Studenten kein Wort verstehen. Die Challenge doppelseitig oder sogar in Farbe zu drucken und dieses Vorhaben irgendwie pantomimisch darzustellen (Sollte ich nochmal nach China gehen, würde ich vorher einen kleinen Sprachkurs belegen, um im Alltag besser zurechtzukommen). Das Gedränge und das Einsetzten der Ellenbogen von chinesischen Bürgern jeglichen Alters, wenn es um Sitzplätze oder einfach nur um einen Stehplatz in Bus und Metro geht. Das Ratespiel in der Mensa, in der Hoffnung so wenig wie möglich Fleisch im vegetarischen Essen zu erwischen (Hühnchen zählt in China nämlich auch irgendwie zum Gemüse). Die ältere Generation in Parks zu beobachten wie sie Musizieren, Tanzen und Karten spielen. Meine kleine Shanghai-Family und die große internationale Community. Die Möglichkeit mit dem Schnellzug in wenigen Stunden an komplett neuen Orten zu sein und die wundervolle Natur Chinas kenne zu lernen. Vielleicht werde ich sogar das gewöhnungsbedürftige Englisch unser Dozenten vermissen.

 

 

Shanghai, Du hast uns jeden Tag neue Eindrücke verschafft und ich habe so viel über die chinesische Arbeits- und Denkweise gelernt und erfahren – den Kontrast zwischen Vergangenheit und Zukunft, Nostalgie und Fortschrittsdenken, Technologie und Tradition…

 

 

 

& wenn ich es mir so richtig überlege, nein eigentlich ist noch gar nichts vorbei – eigentlich geht jetzt erst alles los. Der Kulturschock der Rückkehr, die Eindrücke zu verarbeiten und unsere Gesellschaft wie auch meinen Alltag aus ganz andere Augen zu betrachten, mich mit Allen über Gemeinsamkeiten und Eigenarten unserer jeweiligen Studienorte auszutauschen und alles nochmals Revue passieren zu lassen.

Ich freue mich auf die Möglichkeit Kritik üben zu können, akademische Texte zu hinterfragen und anzweifeln zu können. Auf die Abwesenheit penetranter Gerüche, die in China einfach überall gleichzeitig auf mich einwirken. Auf freie Nachrichtenbeschaffung, mehr Bewegungsfreiheiten in Bussen, auf gute Luft, den Verzicht auf die App, die mir täglich den Air Qualitiy Index mitteilt und auf meine Brezel am Morgen. Vor allem bin ich froh, nicht mehr Superstar Nummer 1 mit blonden Locken zu sein und im Mittelpunkt der Metrofahrt zu stehen oder ständig von Bilderfluten überhäuft zu werden.

  

Shanghai, Du hast auch Deine schwierigen Seiten und mich viele Tage wirklich aus meiner Komfortzone gelockt. Du hast meine Erwartungen völlig über den Haufen geworfen und mir ein komplett neues Bild von China gegeben. Ich denke ich kann mit guten Gewissen sagen, ich kenne und verstehe nicht nur Shanghai und seine ganz besondere Stellung als Metropole in China, sondern auch die Mentalität und die Menschen im Osten Chinas. 谢谢

 

 

 

 

One thought on “Was ich noch sagen wollte. Ein Abschiedsbrief an China und besonders an Shanghai

  1. Achja, ob es das schon gewesen sein soll, das frage ich mich auch ständig… total verrückt, wieviele Monate wir uns darauf vorbereitet haben und wie schnell es jetzt vorbei ging! Bald sitzen wir wieder in meiner Küche und quatschen über das Erlebte 😉
    Ein schöner Artikel jedenfalls, liebe Carina, und ich bin durch deine Erzählungen und vor allem die Bilder sehr neugierig auf China geworden! Es ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt hätte, und das ist doch das Spannende daran.
    Genieß die letzten Tage! Ich freue mich auf dich in ein paar Monaten zurück in Deutschland <3

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