Obwohl ich mir eigentlich vorgenommen hatte wöchentlich einen Blogeintrag zu schreiben, ist es nun doch schon wieder eine ganze Weile her. Zwischen Uni, Kontakte knüpfen (und halten), Chinesisch lernen und reisen, bleibt in der Woche nicht mehr so viel Zeit. Mittlerweile habe ich mich gut eingelebt und nenne mein bescheidenes Zimmer auch „home“, da ich mich trotz hoher Luftfeuchtigkeit, Temperaturschwankungen und Moskitoplagen, dann doch ganz wohl fühle. Es ist eben – wie so vieles hier – ma ma hu hu. Der chinesische Ausdruck bedeutet so viel wie „geht so“, „mittelmäßig“, „passt schon“. Wörtlich übersetzt heißt es allerdings lustigerweise „Pferd, Pferd, Tiger, Tiger“. Etymologisch sehr interessant, lässt sich der Begriff dankbarerweise auch leicht mit den Tiersmileys in What’s App oder WeChat schreiben – vielleicht die erste sinnvolle Verwendungsmöglichkeit dieser Smileys (von Oktopussen und Einhörnern abgesehen natürlich).
Seit ich das Wort neugelernt habe erscheint es mir plötzlich perfekt auf alles anwendbar. SO auch auf die Reisen der letzten Woche: Der Nationalfeiertag und das Mid-Autumn-Festival bescherte uns eine ‚Golden Week’ in der wir Freizeit zum Reisen hatten. Einziger Nachteil an der Sache war eben das ca. 1 Milliarden anderer Menschen eben auch frei hatten und reiselustig waren. Wir entschieden uns daher nicht nach Peking oder Xi’an zu reisen, da wir mehrfach davor gewarnt wurden wie überfüllt die Städte in der ‚Golden Week’ seien. (Notiz am Rande: Wenn chinesische Studenten von ‚very busy’ sprechen heißt das für europäische Verhältnisse „unvorstellbar“). Also reiste ich mit einer Freundin nach Suzhou und Nanjing. Beide Städte haben mich sehr beeindruckt und waren trotz relativ geringer Distanz gänzlich anders als Shanghai. In ihren Altstädten liegt ein besonderes Flair, das auf mich viel traditioneller chinesisch wirkte als die sehr moderne Megacity Shanghai. In Suzhou vielen mir sofort die schönen Bushaltestelle mit den fliegenden Dächern ins Auge, wie sie auch an der Konzilstraße in Konstanz zu sehen ist. Erst beim Googeln, öhm ich meine natürlich beim unkritischen Baiduen, am Abend fiel mir dann auch auf das Suzhou die Partnerstadt von Konstanz ist und die Haltestelle Konzilstraße tatsächlich nach den Vorbildern in Suzhou gebaut wurde – die Welt ist eben doch klein.
Ansonsten beeindruckten mich die schönen Gärten Suzhous, die trotz der Menschenmengen immer noch eine Form von Ruhe und Gelassenheit ausstrahlten. Etwas menschenleerer waren die riesigen Tempelanlagen, die wir besuchten. Diese verwinkelten Bauten boten hinter jeder Ecke einen neuen Miniaturgarten mit Bank zum Innenhalten. Es fällt nicht schwer sich dort die Poeten der Mingdynastie vorzustellen, die in der Ruhe der Gärten, von Selfiesticks ungestört, ihre Gedanken sammeln konnte.
Auch der Aufenthalt in Nanjing war trotz anfänglich schlechtem Wetter sehr schön. Die „südliche Hauptstadt“ war von großer Bedeutung für die chinesische Geschichte. In der Ming-Dynastie kurz Hauptstadt des Kaiserreiches wurde im 19. Jahrhundert hier der Vertrag von Nanjing unterschrieben, in der Großbritannien und andere europäische die Öffnung Chinas erzwangen. Nach dem Ende des Kaiserreiches wurde Nanjing erneut Hauptstadt der Republik China. Von diesen historischen Umstände zeugte nicht nur das Nanjing Museum, sondern auch die Mausoleen und Anlagen in den Purple Mountains, die wir besichtigten. Obwohl mittlerweile ins Stadtgebiet von Nanjing eingeschlossen, konnte wir hier einmal frei durchatmen. Anstatt uns in überfüllte Touristenbuse zu zwängen nutzen wir die Gelegenheit den „Berg“ zu Fuß zu besteigen und etwas in der Natur zu sein. Was allerdings abenteuerlicher klingt als es tatsächlich war, da so ziemlich alle Berge hier im Umkreis mit Treppen zum Aufstieg zubetoniert wurden. Oben angekommen konnten wir dann sogar eine Pagode bis in den obersten Stock hinaufsteigen (Die Freude meiner Knöchel darüber war leider tatsächlich hörbar). Der Ausblick war aber einfach wunderbar und entschädigte auf jeden Fall für das Treppen hinaufquetschen, vorbei an vorsichtig hinuntersteigenden Chinesen.
Deutlich näher am Mama huhu- Thema war dann wieder unsere Unterkunft. Nach einer Metro und Busfahrt ins scheinbare nirgendwo kamen wir bei unserem Airbnb an. Als ein netter älterer Mann die Tür öffnete viel uns zunächst einmal das Zelt in der Mitte des Wohnzimmers auf, woraufhin wir uns ein Grinsen nicht mehr verkneifen konnten. Denn neben uns wohnten in der 3 Zimmerwohnung dann doch einige Übernachtungsgäste mehr als erwartet. Aus dem Zelt kamen zwei chinesische Studentinnen mit denen und unseren Gastgebern wir dann zu Abend aßen. Währenddessen plauderten die vier munter auf uns ein – natürlich in Chinesisch. Nachdem ich meine ca. 5 Sätze aufgesagt hatte, waren mir dann leider die Optionen ausgegangen, sodass ich mit ‚hen hao’ – „sehr gut“ antwortete. Das freute besonders die Gastgeberin immer besonders und uns wurde immer mehr aufgetischt. Beim Essen wurden wir ausgiebig von den Gastgebern photographiert – was mir mittlerweile aber völlig normal vorkommt. (So normal, dass ich zurück in Deutschland darauf achten muss, nicht jemandem der mit einem Handy in der Hand auf mich zukommt zu sagen: ‚It’s ok, you can take a photo’) Als wir dann vom Vorräte aufstocken wiederkamen zurückkamen (und uns ein wohlverdientes Feierabend Bierchen gegönnt hatten) waren auf einmal noch vier weitere Leute dort, die in anderen Zimmern schliefen. Als wir dann auf der Couch saßen uns eine Art ‚The Voice of China’ schauten, kam noch drei Britinnen und zwei weitere chinesische Studentinnen dazu, für die dann kurzerhand ein zweites Zelt im Wohnzimmer aufgebaut wurde:
Als vorläufiges Endergebnis unserer Zählung kamen wir dann auf 15 Übernachtungsgäste. Nach einer Rapeinlage einer chinesischen Studentin und fröhlichem Mitsingen zu den (manchmal leicht verstörenden) Musikvideos im Fernsehen, kamen wir dann nachdem alle duschen waren doch noch zur Ruhe. Auf jeden Fall eine Erfahrung, die ich wohl nicht mehr vergessen werde.
Es gibt noch so vieles von dem ich gerne berichten will, aber an dieser Stelle verabschiedete ich mich erst einmal und versuche eine baldige (this time for real) Fortsetzung zu schreiben. Also immer schön positiv bleiben und jeder unangenehmen Situation etwas Gutes abgewinnen, damit sie auch schön mǎma hūhu wird – alleine für das Wort lohnt es sich ja schon =)
Ich finde, das klingt viel eher nach einem ziemlich tollen Wochenende, als nach einem “mittelmäßigen”. Und auch die Schlafsituation war wohl alles andere als normal, sondenr sogar ziemlich herausragend 😉
Jedenfalls danke, für die Bereicherung meines Wortschatzes. Ziemlich genial, dieses mama-huhu. Sollten wir übernehmen!
Gracias, Matthias 🙂