Besondere Transportmittel vor hochmoderner Skyline. Ein erster Spaziergang durch Hong Kong

Heute ist es genau einen Monat her, dass Anne und ich in Hong Kong gelandet sind. Mittlerweile fühle ich mich für meinen Teil schon recht gut orientiert und angekommen – allerdings „nur“ auf dem Campus der Lingnan University und in der unmittelbarsten Umgebung. Vom Zentrum Hong Kongs habe ich noch keine richtige Vorstellung. Direkt am ersten Wochenende haben wir mit einigen anderen exchange students schon zwei Tagesausflüge nach Kowloon, den untersten Zipfel der Halbinsel, unternommen. Das waren sehr schöne Ausflüge, aber entsprechend der Trägheit großer Gruppen ohne festes Ziel, sind wir dabei nicht viel weiter als bis zur Nathan Road, der größten Geschäftsstraße, und zu den Docks der Star Ferry gekommen. Dann kamen zwei Taifune, ein Spontantrip nach Vietnam in der freien Woche vorm Unistart und, ja, die ersten beiden Uniwochen dem weiteren Erkunden erstmal in die Quere. Höchste Zeit also, sich ein genaueres Bild von Hong Kong zu machen!

Der Campus der Lingnan University befindet sich in der Satellitenstadt Tuen Mun in den so genannten New Territories (quasi alles nördlich von Hong Kong Island und dem direkt gegenüberliegenden Kowloon). Mit der MTR (Mass Transit Railway), der Hong Konger S-Bahn/Metro, ist man bis ins Zentrum gut 45 Minuten unterwegs und so kann man leider nicht „mal eben“ für ein, zwei Stunden in die Stadt fahren. Ein ganzer Sonntag hingegen ist genug Zeit, um ins Zentrum zu fahren. Gesagt, getan.

Ausgangspunkt meiner gestrigen Tour war die Station East Tsim Sha Tsui in unmittelbarer Nähe des Star Ferry Pier in Kowloon. Natürlich könnte man auch mit der MTR unterirdisch nach Hong Kong Island gelangen. Den Anblick der spektakulären Skyline auf Hong Kong Island und vor allem das Vergnügen, mit einer der hübschen grün-weißen Star Ferries überzusetzen, wollte ich mir nicht nehmen lassen. Die älteste kreuzt seit dem Gründungsjahr der Fährgesellschaft 1898 durch den Victoria Harbour, alle anderen wurden laut Wikipedia erst in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts gebaut. Die Optik ist jedoch bei allen elf Schiffen dieselbe und den allerersten Ferries nachempfunden: außen grün, weiß und schwarz, der jeweilige Name prangt in goldenen Lettern am Bug, innen weiß gepinselter Stahl, lackierte Holzbänke, blanker Messing. Wunderbarste (Kolonial-)Nostalgie. Die Überfahrt nach Wan Chai dauert etwa zehn – viel zu kurze! – Minuten und kostet gerade mal 3,00 HK$, ca. 0,30 €.

HK_Star Ferries
Der Anleger Wan Chai liegt direkt neben dem Hong Kong Convention and Exhibition Centre. Von Kowloon aus war mir das Messegebäude wegen seines gewölbten und verhältnismäßig niedrigen Dachs schon aufgefallen. Im Reiseführer las ich, dass es extra für die Übergabe der ehemaligen britischen Kolonie an China 1997 errichtet wurde. Einen derart geschichtsträchtigen Ort musste ich mir anschauen. Durch Bauarbeiten und verschiedene Straßen- und Fußgängerumleitungen suchte ich mir den Weg zum Golden Bauhinia Square, der hinter dem Centre bei klarem Wetter sicher einen schönen Ausblick auf den Victoria Harbour und Kowloon bietet. Gestern zeigte sich die große Wasserstraße zwischen Hong Kong Island und dem Festland allerdings nur ziemlich dunstverhangen. Das hinderte die großen und kleinen, hauptsächlich asiatischen Reisegruppen freilich nicht am exzessiven Selfie- und Gruppenfoto Schießen. Noch beliebter als der Ausblick übers Wasser war die große goldene Bauhinia-Blüte in der Mitte des Platzes als Hintergrundmotiv. Es gab sogar eine Handvoll Stände, die ein professionelles Fotoshooting vor der Skulptur inklusive Sofortbild(ern) anboten… Das Abbild der Nationalblüte Hong Kongs erinnert an diesem Ort als einziges an die Übergabe der Kolonie, was mich etwas erstaunt hat. Am Hauptschauplatz der beendeten Kolonialzeit hätte ich irgendwie mit mehr Erinnerungskultur oder auch demonstrativem Nationalstolz gerechnet. Mal sehen, welche Erinnerungsorte sich auf weiteren Streifzügen eventuell noch finden.

P1000505_klein  Kowloon im Nebel mit Star Ferry

Nachdem ich die Blüte ausgiebig bestaunt hatte, kehrte ich dem Wasser den Rücken, um durch die Straßenschluchten der Hochhäuser bis zur Queens Road zu gelangen. Sie markiert die ursprüngliche Küstenlinie der Insel. Von der aktuellen Uferpromenade habe ich ca. 20 Fußminuten bis zur Queens Road gebraucht – und es wird weiter an mehreren Stellen Land aufgeschüttet bzw. ist dies in Planung!

An der Queens Road angekommen, konnte ich gar nicht anders, als das nächste öffentliche Verkehrsmittel auszuprobieren: die Doppeldecker-Straßenbahnen. Seit 1904 ruckeln und zuckeln die süßen kleinen Wagen die (ehemalige) Küstenlinie entlang – die erste elektrische Tram Asiens. Außen sind die meisten voll mit knallbunter, sehr moderner Werbung, drinnen scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus, fühlte meine Augen riesig groß werden und wusste gar nicht, ob ich mir lieber die Innenausstattung mit all ihren Sitzbänken, Knöpfen und Lampen oder die draußen vorbeiratternde Stadt genauer anschauen sollte. Eine lange Tour von einem Endpunkt der Tramlinie zum anderen steht seit gestern Nachmittag definitiv auf meiner Hong-Kong-to-do-Liste!

HK Tram Mid-Level Escalators

In der Nähe des Central Market stieg ich dann aber doch aus, um mir das eigentliche Ziel meines Ausflugs anzuschauen. Die Mid-Level Escalators verbinden das Central-Viertel mit den darüber liegenden Wohngebieten. An den steilen Hängen gibt es nur wenige Straßen, auf denen man nach oben bzw. unten gelangen kann. Laut Reiseführer müssen aber trotzdem rund 35.000 Pendler täglich runter zur Arbeit und wieder rauf nach Hause. 1993 wurden daher die Mid-Level Escalators gebaut: eine Kombination aus Treppen, Rolltreppen, Personentransportbändern und ebenen Wegen, die sich über einen Kilometer den Berg hinaufschlängelt. An unterschiedlichen Stellen kann man zu dieser etwas anderen Fußgängerbrücke zwischen den Hochhäusern hochsteigen und dann bequem den Berg hoch- (11:00 Uhr – Mitternacht) oder runterfahren (6:00 – 11:00 Uhr). Ein hoch faszinierendes Konstrukt, nicht nur aus stadtplanerischer Sicht! Von der Brücke bieten sich immer wieder kurze Aus- und Einblicke in die abzweigenden Straßen und die höheren Etagen der Hochhäuser, an denen man in 10 Metern Höhe vorbei spaziert. Auf diesem Stadtspaziergang bin ich nur bis etwa zur Hälfte die Escalators hochgefahren. Dann habe ich spontan entschieden, kreuz und quer durch die Sträßchen und Gassen wieder nach unten und zur Metro zu laufen und zurück zur Uni zu fahren. Aber die Hänge rund um die Mid-Level Escalators werden auf jeden Fall nochmal genauer erkundet!

One thought on “Besondere Transportmittel vor hochmoderner Skyline. Ein erster Spaziergang durch Hong Kong

  1. Hallo, liebe Anne, das hört sich ja alles sehr sehr toll an. Und ich hab mich sogar durch Deine Beschreibung an manches erinnert u lebendig vor Augen..ich bin auf’s nächste gespannt. Bis bald

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