Verdammtes Hinterland

Lang lang ist es her, dass ich es geschafft habe, einen Artikel zu schreiben.

Die Ausreden sind die üblichen: Erst waren da die Finals Anfang Dezember, dann kam Besuch nach Kalifornien, der Auszug aus unserer Wohnung in Berkeley und dann kam der Roadtrip. Der Roadtrip ist vielleicht die amerikanischste Art zu reisen und mit Sicherheit die einzige Art, die USA auch nur ansatzweise kennenzulernen. Drei Wochen, mehr als 4.000 Kilometer und 18 verschiedene Motels / Air BnBs und Inns. Kerouac wäre stolz auf uns, vor allem weil wir das ganze natürlich ohne jegliche Drogen bewältigt haben.

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(Big Sur)

Als Auto-Tourist fühlte ich mich am Anfang etwas merkwürdig. Natur durch ein Autofenster zu betrachten erschien mir irgendwie falsch, unecht, fast als würde man alles auf einer Leinwand an sich vorbeiziehen sehen. Relativ schnell habe ich mich aber an diese Art des Reisens gewöhnt und sogar gelernt, einigermaßen schöne Fotos durch die Autoscheibe zu knipsen. Natürlich hielten wir auch immer wieder an, stiegen aus und wanderten ein bisschen. Insgesamt dreht sich der Roadtrip-Tourismus aber mehr ums schnelle Abhaken, ums gesehen haben und nicht so sehr ums ankommen, anschauen und dableiben. Das bewirkt spätestens nach zwei Wochen eine Art Kater und Überdruss. Wann waren wir nochmal am Grand Canyon? Haben wir die Koyoten im Sequoia oder im Yosemite Nationalpark gesehen und wie hieß nochmal das furchtbare Hotel in Primm?

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(The Devil’s Golf Course, Death Valley)

Glücklicherweise bietet das amerikanische Hinterland viel Raum zum Nachdenken, denn da gibt es wirklich nicht viel zu sehen. Nicht viel ist eigentlich sogar übertrieben. Manchmal gibt es hunderte Meilen lang gar nichts zu sehen. Zum Beispiel zwischen Las Vegas und Flagstaff. Wir haben siebzehn Diner und acht Starbucks gesehen, diverse Tankstellen und viel Wüste. Dieses verdammte Hinterland, wie wir es liebevoll zu nennen begannen, ist auf eine merkwürdige Art eine Herausforderung. Das Auge hat nichts, woran es sich festhalten kann, der Körper hat nichts zu tun, als im Autositz herumzulümmeln. Der Fahrer muss nicht mal schalten. Wären nicht die vielen kratergroßen Schlaglöcher auf den Straßen, könnte man fast einschlafen.

Sehr vereinzelt findet man in diesem Hinterland ‘Städte’. Ansammlungen von weit auseinanderstehenden ‘Häusern’, umzingelt von den immergleichen Motel- und Diner-Ketten. Einmal machte ich mich lächerlich, als ich in einem Hotel nach einem Supermarkt fragte. Ich wurde an die Tankstelle verwiesen. Wider besseren Wissens stellt ich die Frage, ob es da denn auch Gemüse und Obst gebe. Der Rezeptionist schaute mich völlig verständnislos an und schüttelte den Kopf. Als ich ihn fragte, wo sie denn ihr Gemüse herbekämen, meinte er ganz trocken, aus Las Vegas. 200 Meilen für einen Blumenkohl. Das wäre mal ein Road-Movie.

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(Was der Mensch zum Leben braucht)

So haben wir gelernt, von Beef Jerky und Jelly Beans zu leben und unsere politische Meinung und die Berkeley-Sweater im Koffer zu lassen. Hinterland ist natürlich Trump-Land. Und irgendwie kann man es verstehen, wenn man einige Nächte an diesen Orten verbracht hat und gesehen hat, was es dort gibt. Oder vielmehr nicht gibt.

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(Lake Tahoe)

Und das mit den Allrad-Trucks versteht man auch viel besser, wenn man mal versucht hat, mit einem kleinen Mitsubishi bei heftigem Schneefall und bereits einem Meter Neuschnee zum Lake Tahoe vorzudringen. Schneeketten an ein Auto montieren kann ich jetzt jedenfalls.

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