That’s China! Ein Bericht für die nächste KGE-Generation

Inzwischen ist in Konstanz ein neuer KGE-Jahrgang angekommen und ich frage mich oft, ob sich bei ihnen auch direkt dieser freundschaftliche Zusammenhalt eingestellt hat. Ich frage mich, was sie wohl für Vorlesungen besuchen dieses Semester und wie es wird, wenn wir sie das erste Mal treffen. Aber vor allem stelle ich mir vor, wie sie sich Gedanken darüber machen wo sie ihr Auslandssemester verbringen wollen. Ich kann mich noch sehr gut an diese Entscheidung zurück erinnern. Wie oft habe ich meine Meinung über einzelne Standorte geändert und wie schwierig war es sich das Leben an dem einen oder anderen Ende der Welt vorzustellen. Dieser Eintrag soll dazu dienen, ein bisschen mehr Einblick in meine Erfahrungen an der Fudan University zu geben. Ich denke den Alltag auf dem Campus habe ich schon in früheren Berichten ausreichend geschildert, aber mir liegt noch eine Sache auf dem Herzen, nämlich zu berichten wie mir die Uni selbst gefällt. Vorab, alle Veranstaltungen konzentrieren sich auf China und verlassen nur sehr selten das Reich der Mitte. Das Wissen, das ich mir in den letzten zwei Semestern in Konstanz angeeignet habe, wird hier also nicht direkt erweitert und ich finde quasi keinen Bezug zu meinem bisherigen Studium.

In der ersten Woche war ich trotzdem total begeistert. Die Dozenten wirkten sehr aufgeschlossen, interessiert und gut organisiert. Das Programm für die Kurse war gut beschrieben und man wusste genau, wann welches Thema behandelt werden würde. Ich machte mir Sorgen, ob ich mit dem Lesepensum und dem Arbeitsaufwand zu Recht kommen würde. Ziemlich schnell hat sich dann aber Ernüchterung eingeschlichen. Ich besuche hier an der Fudan University vier Kurse, darunter ein Sprachkurs. Der Sprachkurs ist der Kurs, für den ich ehrlicherweise am meisten lernen muss. Ich versuche mir diese Schriftzeichen zu merken und freue mich über jeden noch so kleinen Fortschritt. Für mich ist das der wichtigste Kurs, denn er gibt mir die Möglichkeit wenigstens einen kleinen Einblick in die chinesische Sprache zu erlangen und klitzekleine Gespräche mit Einheimischen zu führen.

Außerdem belege ich ein Seminar zur chinesischen Literatur im 20. Jahrhundert. Als völliger Einsteiger in Sachen China war auch in diesem Kurs alles neu für mich und ich hatte große Erwartungen. Leider wurden diese nicht erfüllt. Wir besprechen jede Woche einen neuen Autor und lesen viele Kurzgeschichten, Theaterstücke oder Romane. Jede Woche gibt es ein Referat von einem Studenten oder einer Studentin. Das Referat ist der Teil der Veranstaltung, aus dem man am meisten mitnehmen kann, denn ansonsten besteht diese aus einer niemals in Schwung geratenden Diskussion und einem Film zum Autor, der meist auf Chinesisch OHNE Untertitel gezeigt wird, was daran liegt, dass unser Dozent einfach schnell im Internet nach einem Online-Stream sucht. Wir sind in diesem Kurs, wie auch in allen anderen meiner Kurse, nur Austauschstudenten und 2/3 von uns hat so gut wie keine Sprachkenntnisse. Ihr könnt euch also vorstellen, wie viel wir von diesen Filmen verstehen. Der Dozent ist aber nicht nur in dieser Hinsicht schlecht vorbereitet, sondern auch was er in der Diskussion sagt, wirkt so als würde er einfach altes Standardwissen durchgehen und er geht nicht wirklich auf unsere Ideen oder Einwände ein. Ich denke, dass auch er sich eine lebhaftere Diskussion wünscht, aber sich irgendwie nicht auf der gleichen Ebene mit uns Studierenden befindet und deshalb die Diskussion nicht erfolgreich leiten kann. Er hüpft von Thema zu Thema. Seine Fragen sind nicht offen formuliert, sondern er hat schon eine Antwort im Kopf und will genau die hören. In der Abschlussarbeit sollen wir unsere persönliche Meinung zu einem der Autoren schildern. Allgemein habe ich das Gefühl, dass es hier an der Uni oft mehr um persönliche Eindrücke geht, als um fundierte Fakten. So stützen sich die Dozenten in ihren Analysen immer wieder auf eigene Erfahrungen, Erfahrungen der Familie oder schlichtweg auf die Aussage „that’s China“.

Einen ähnlichen Eindruck habe ich von meinem Kurs, der den Titel „Chinese Culture through the Lens of Cinema“ trägt. Auch hier war ich zunächst total begeistert, doch als deutlich wurde, dass der Dozent keine Diskussion in seinem Kurs wünscht, sondern dass es ein 2,5 stündiger Monolog seinerseits zu hören gibt, sank mein Enthusiasmus. Das Seminar läuft so ab. Alle Studierende schauen vorab den Film zur jeweiligen Stunde. Alle Filme wurden uns vom Dozenten bereitgestellt und haben zum Glück Untertitel. Der Dozent beginnt den Kurs mit der Frage „Did you like the movie?“ und steigt dann in seinen Monolog ein. Ich sollte fair sein und zugegeben, dass er uns manchmal, circa 1-2 pro Sitzung, auch nach unserer Meinung fragt. Meist aber nur um diese dann zu wiederlegen. Ein wirklicher Meinungsaustausch findet nicht statt, sondern wir sollen seine Ansicht verstehen lernen. Akademische Ausbildung sieht für mich anders aus. Gerade in Sachen Film und Literatur sollte man doch offen diskutieren können. Doch in diesen beiden Kursen gibt es aus unterschiedlichen Gründen keine Diskussionskultur nach unserem Verständnis.

Mein vierter Kurs ist eine Einführungsveranstaltung zur chinesischen Gesellschaft. Die erste Semesterhälfte hat mir sehr gut gefallen. Ein junger Dozent hat zu verschiedenen Aspekten der chinesischen Kultur referiert und wir haben auch über Shanghai im Speziellen gesprochen. Auch wenn es eine Vorlesung ist und daher von Natur aus wenig Raum für Diskussion besteht, hat man in dieser Veranstaltung immer die Möglichkeit Fragen zu stellen. Nur verweist der Dozent manchmal darauf, dass diese bitte nicht zu sensiblen Themen sein sollten. Die Vorlesungsräume an der Fudan University sind, wie die Wohnheimflure, Aufzüge und alle öffentlichen Bereiche, videoüberwacht und daher sollte man sich, zumindest als Dozent, nicht kritisch über die chinesische Regierung äußern. Die zweite Hälfte des Kurses besteht nun vornehmlich aus Gastvorträgen von Uni-Externen, meist zu ihrer Arbeit in China, und aus selbstständig durchgeführten Fieldtrips. Auch das ist nicht gerade das, was ich mir unter akademischer Ausbildung vorstelle. Manchmal fühle ich mich eher wie in einem Ferienlager.

Viele meiner Freunde bestätigen meine Meinung zum Niveau hier an der Uni. Einige belegen beispielsweise einen Kurs zur chinesischen Sprache und Kultur und berichten mir von den abfälligen Äußerungen des Dozenten gegenüber Religion und religiösen Menschen, die er wöchentlich wiederholt. Dass ein Dozent an einer Universität Studierende für ihren Glauben verurteilt, offen sagt „I want to offend you!“ ist für mich unfassbar. Ich möchte aber andererseits auch nicht verheimlichen, dass andere Bekannte auch von guten Erfahrungen in ihren Kursen berichten. Das sind vor allem Veranstaltungen, die nicht an meinen Departments stattfinden. Kurse in Politikwissenschaften und VWL sollen scheinbar mit deutschem Niveau vergleichbar sein.

Ich hoffe, ich habe euch nicht zu sehr abgeschreckt mit diesem Bericht, aber ich denke es ist wichtig zu wissen, dass die Veranstaltungen hier nach anderen Standards ablaufen, als in Konstanz. Trotzdem hat mich der Aufenthalt in Shanghai um vieles bereichert, aber das liegt vermutlich eher an den Erfahrungen und Herausforderungen, die mich abseits der Vorlesungen erwartet haben.

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