Oscar Wilde soll einmal gesagt haben: „You can never be overdressed or overeducated.“ Diese Aussage ist gewagt und zeugt von Herrn Wildes Unkenntnis der kalifornischen Gepflogenheiten.
Selbstverständlich kann man in Berkeley nicht overeducated sein. Um es mit den Worten eines anderen (dem weltbesten, sorry Oscar) Poeten zu sagen: „Immer dann wenn du denkst, verdammt, du kannst etwas sehr gut / gibt es irgendwo auf der Welt jemand, der kann’s besser als du“. In Berkeley kann es garantiert jemand besser als du. Egal was.
Overdressed hingegen ist man an dieser Universität schnell. Der kalifornische Studentenlook ließe sich vielleicht mit den un-wildeschen Worten lässig und entspannt oder auch mit dem neumodischen ‘gechillt’ umschreiben. Dieser unangestrengte Style ist keinesfalls mit dem nonchalanten Pariser Chic gleichzusetzen. Es geht hier nicht um Existentialistenschwarz und übergroße Karoschals.
Der typische Kleiderschrank eines Berkeley-Studenten besteht aus vier Teilen. Das spart nicht nur Geld, sondern vor allem auch Zeit. Und Zeit hat der Berkeley-Student nicht – er studiert. Vollzeit.
1. Die Yoga-Pants
Dem Namen folgend könnte man annehmen, diese Hosen würden beim Yoga getragen. Weit gefehlt! Auch wenn eine erstaunlich große Anzahl von Berkeley-Studenten sicherlich ab und zu Yoga-Kurse besucht, beschränkt sich das Tragen von Yoga-Pants nicht auf diese Kurse. Die Bewegungsfreiheit, die sie bieten, macht sie zu hervorragenden Alltagsbegleitern: Jede Sitzhaltung in der Bibliothek ist möglich, ein Burger zum Mittagessen kein Problem und (gegebenenfalls) betont die enge Hose gewisse Vorzüge. Der einzige Nachteil: Die meisten Yoga-Pants lassen keinen Raum für Hosentaschen, deshalb werden sie am besten kombiniert mit…
2. Dem übergroßen Hoodie
Er ist groß, er ist weich, er ist flauschig und bietet in seiner Känguru-Tasche Raum für alles wichtige (das I-Phone, die Hände). Wo die Yoga-Pants betonen, versteckt er, was es zu verstecken gibt. Wenn es kalt wäre, würde er wärmen. Da es nicht kalt ist, ist er ein Statement-Piece. Vorzugsweise ist der Hoodie deshalb auch bedruckt – meist mit dem Cal-Logo, manchmal aber auch mit sehr individuellen, fetzigen Sprüchen wie „But first, coffee“, „Namastay in Bed“ (passend zu den Yoga-Pants) oder auch „Yeezus“. Die Kapuze ist ein echter Bonus, falls man aus unerklärlichen Gründen einmal Kleidungsstück Nummer Drei nicht zur Hand haben sollte:
3. Die Cap
Auch hier sind den verschiedenen Aufdrucken quasi keine Grenzen gesetzt, politische Statements („I love Bernie“, „Dump Trump“) stehen aktuell hoch im Kurs. Cap und / oder Kapuze dienen vor allem zur Verschleierung eines Bad Hair Days und sind, da sind die Dozenten sehr tolerant, auch in Vorlesungen und bei Gesprächen erlaubt. Meist wird die Cap konventionell – also mit dem Schirm nach vorne – getragen. Seltener wird der fesche, rebellische Look – rückwärts oder schief – gewählt. Jetzt, wo der Herbst Temperaturen von knapp unter 20 Grad mit sich bringt, verbergen manche Studenten ihren Bad Hair Day auch unter einer wärmenden Wollmütze. Da kommen dann regelrechte Heimatgefühle auf, denn an vielen Füßen sieht man hier…
4. Birkenstock
Man hätte es sich denken können. Eine Universität, die für ihre linke Aura bekannt ist, kann quasi nicht ohne Birkenstockträger bestehen. Ein Wunder, dass Birkenstock noch nicht zu den offiziellen Uni-Sponsoren gehört. Besonders im Trend liegt der Klassiker: Birkenstock mit Wollsocken. Diese Kombination ist optimal auf das kalifornische Wetter abgestimmt: Morgens kalt, mittags warm. Allerdings sind Birkenstock kein Massenphänomen vom Kaliber Yoga-Pants, was sicherlich am Kostenfaktor liegt. Ein Paar Birkenstock und ein Paar Louboutins liegen hier preislich gar nicht so weit auseinander. Jedenfalls weiß ich jetzt, dass ich im Falle eines finanziellen Engpasses meine alten Birkenstocks zum Pfandleiher bringen kann.
Kurzum: Ich fühle mich styletechnisch total angekommen. Manchmal nimmt die Gelassenheit hier zwar Ausmaße an, die den ordnungsliebenden Deutschen oder Oscar Wilde schockieren würden, aber man lernt damit umzugehen. Schlafanzüge sind ja schließlich auch eine Form von Anzügen. Und wenn Oscar Wilde so etwas behauptet wie „No woman is a genius. Women are a decorative sex. They never have anything to say, but they say it charmingly. Women represent the triumph of matter over mind, just as men represent the triumph of mind over morals“, dann sind fettige Haare und Sportklamotten ja quasi eine Art feministische Rebellion.
In diesem Sinne: Down Do is the new Up Do!
Hoffe, ihr habt eure Birkenstöcke dabei und sonnt euch in ihrem Glamour! Was ist denn das männliche Äquivalent zu den Yoga-Pants? Der ganze Rest ist ja doch sehr unisex gehalten.
Können wir nächstes Semester einmal die Woche alle so kommen? Und dann wandern wir durch die Uni, murmeln Foucault-Zitate und gruseln die Erstis…
Ich verstehe die Frage nicht… Yoga-Pants sind doch unisex… Nein, im Ernst: Yoga-Pants sind hier unisex. Alternativ tragen die meisten Jungs einfach weite Jogginghosen. Damit man besser weiß, ob man sie daten möchte oder nicht, haben sie komplette Trainingsanzüge und Rucksäcke mit ihrer Sportart und Rückennummer drauf.
Pragmatisch. Der Berkeley-Student hat ja schließlich keine Zeit, sowas selbst rauszufinden.