Wake Me Up When September Ends

Ein ganz normaler Tag. Vielleicht etwas zu normal. Die Eichhörnchen schnattern, die Vögel zwitschern, der Zeitungsbote wirft die New York Times in die Auffahrt. Noch ist der Himmel bedeckt, aber spätestens gegen Mittag wird die kalifornische Sonne sich ihren Weg bahnen. Nie hätte ich gedacht, dass dieser Tag mein künftiges Leben total verändern würde. Der erste Oktober ist nicht irgendein Tag für die Amerikaner. Das hätte mir schon “Wake Me Up When September Ends” sagen können. Billie Joe Armstrong ist ja eigentlich für seine direkte und ehrliche Art bekannt. Außerdem ist Greenday eine Berkeley-Band. Leider habe ich das erst gerade eben gegoogelt und die tiefgreifende Veränderung meines Alltags trifft mich deshalb an diesem ersten Oktober völlig unvorbereitet.

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Wo gestern noch Blumen die Eingangstreppen der Häuser zierten, sind heute grimmige Kürbisfratzen zu sehen. Vor den Coffeeshops bilden sich lange Schlangen und Leute, die mit einem Pumpkin Spice Latte auf die Straße treten, müssen um ihr Leben fürchten. Mein Instagram Feed ist voll mit Bildern von Mitzwanzigerinnen in Ugg-Boots und Karohemden, die auf einem Pumpkin Patch (Kürbisfeld) stehen und sehr glücklich aussehen. Der universitätseigene Glockenturm spielt zur vollen Stunde das Nightmare on Elmstreet-Theme. Doch das ist erst der Anfang.

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Ab dem ersten Oktober lassen die Amerikaner ihren hemmungslosen Kürbiswahn in aller Öffentlichkeit aus. Kürbisse regieren die Straße – achwas: die Welt! Während wir Europäer bei Kürbis vielleicht an Kürbissuppe und gefüllten Kürbis denken, denken die Amerikaner an Pumpkin Spice. Pumpkin Spice Kaffee, Pumpkin Spice Cornflakes, Cookies, Pfannkuchen, Muffins, Cupcakes, Brot, Ravioli, Hummus, Bier, Mandelmilch.

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Der Supermarkt ist vollständig in Orange getaucht und ich verliere die Orientierung. Eigentlich wollte ich nur Milch, kaufen, stattdessen stehe ich hilflos zwischen Regalen voller Kürbissachen. Wie immer stelle ich mir die Frage, ob die Produkte wohl auch echten Kürbis enthalten. Viel mehr stelle ich mir aber die Frage, was genau eigentlich Pumpkin Spice ist. Wonach schmeckt das?

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Ich nehme all meinen Feldforschermut zusammen und kaufe eine Packung Pumpkin Spice Cornflakes. Zuhause schütte ich die orangenen Kringel vorsichtig in eine klitzekleine Schüssel, einen Mini-Schluck Milch dazu und – was soll ich sagen – der Scheiß ist geil (pardon my French).

Pumpkin Spice ist wie Lebkuchen, nur kommt man sich weniger schlecht vor, wenn man es in rauen Mengen und in den perversesten Umsetzungen verspeist. Es schmeckt ein bisschen nach Zimt, ganz viel nach Liebe und Geborgenheit und eigentlich so gut wie gar nicht nach Kürbis. Kurz: Es ist der Wahnsinn.

5 thoughts on “Wake Me Up When September Ends

  1. Jetzt habe ich aber Lust auf Pumpkin Spice bekommen:) Okay, zugegeben auf Lebkuchen. Guten Appetit in der orangenen Welt;)

  2. Dir ist schon klar, dass du jetzt eine Monsterpackung von diesen Pumpkin-Cornflakes nach Nonnenhorn mitnehmen musst, ne?!

  3. Ich kann mir so 1 zu 1 vorstellen, wie du kritisch über deiner Schüssel künstlich leuchtender orangener Kringel sitzt, den Löffel langsam zum Mund führst und dann kauend sagst: “DER SCHEISS IST GEIL!” 😀 😀 😀 😀 Bestimmt gehen die kulinarischen Kuriositäten zur Weihnachtszeit in die zweite Runde. Ich bin gespannt auf Weiteres!

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