Yoga auf Chinesisch

Heute hatte ich die erste Yoga-Stunde meines Lebens. 10 Chinesinnen, Margarita, ich und eine Lehrerin, die kein Englisch spricht. Was dabei wohl rauskommt? Aber erst möchte ich euch berichten wie es überhaupt dazu kam, dass ich einen Yoga-Kurs belegt habe.

Eine wirklich tolle Sache hier an der Fudan University ist das Buddy-Programm. Die Universität hat uns also eine chinesische Studentin oder einen chinesischen Studenten zur Seite gestellt, um uns bei Problemen in der Uni oder Außerhalb zu unterstützen, um die Kultur besser zu verstehen oder auch einfach, damit wir schneller Freunde finden. Mein Buddy heißt Lynn und sie ist super! Sie studiert Sozialarbeit, liebt Essen und ist eine richtige Frohnatur. Von wegen Chinesen sind distanziert! Lynn hat mich bei unserem ersten Treffen mit einer festen Umarmung begrüßt. Leider haben wir uns bisher erst wenige Male getroffen, denn sie muss dieses Semester zusätzlich zum normalen Uni-Alltag noch Praxisstunden ableisten und ist folglich im Dauerstress. Aber sie hat mir direkt vorgeschlagen, mit ihr und ihren Kommilitoninnen einen Yoga-Kurs zu belegen.

Zuerst war ich etwas skeptisch. Ich wollte zwar seit Langem Yoga ausprobieren, vor allem weil ich weiß wie schlecht es um meine Dehnfähigkeit steht, aber sollte ich es nun ausgerechnet in China machen, wo ich vermutlich die Lehrerin nicht einmal verstehen werde? Ich hab mich dann vor allem aus einem Grund dafür entschieden, der wenig mit Yoga zu tun hat. Ich wollte mir die Chance, einheimische Studenten kennenzulernen nicht entgehen lassen, denn das ist hier wirklich etwas schwer. In meinen Kursen sind nur Austauschstudenten und unser Wohnheim befindet sich in einem von den „normalen“ Wohnheimen abgegrenzten Uni-Bereich. Geschützt mit zusätzlichem Wachpersonal und Elektrozaun. Und ich muss ehrlich sagen das ist der Punkt, der mich hier am meisten stört. Nicht nur weil ich mich meiner Mündigkeit beraubt fühle, wenn ich nachts beim Nachhause kommen Name, Zimmernummer und Ankunftszeit an der Pforte in eine Liste eintragen muss – natürlich geben wir alle falsche Angaben. Sondern weil mich dieser Separatismus stört. Ich finde diese Regelung einfach unglaublich diskriminierend gegenüber den chinesischen Studierenden. Aber vor allen Dingen bin ich nicht nach China gekommen, um zu erfahren wie verrückt internationale Studenten im Ausland feiern oder, um mich gemütlich mit einer Schar anderer Deutscher durch das Semester treibenzulassen. Nein, ich will doch etwas über China und seine Menschen lernen. Also hab ich meinen inneren Schweinehund überwunden und zugesagt.

Heute war dann endlich die erste Stunde. Zunächst waren wir alle etwas schüchtern und für die Chinesinnen war es vor allem eine Überwindung, Englisch zu sprechen. Aber spätestens als die Lehrerin da war und einfach losgelegt hat – ohne Einführung, Erläuterungen zu den Übungen nur auf Chinesisch – war das Eis gebrochen. Margarita hat auf Grund ihrer langen Yoga-Erfahrung alles fabelhaft gemeistert. Für mich war jede Übung eine Herausforderung. Aber die Lehrerin war sehr aufmerksam und hat uns oft korrigiert (oder sagen wir lieber: gerade gebogen), wenn wir etwas nicht richtig ausgeführt haben. Und viel Hilfe kam auch von meinen Nachbarinnen, die mir mit Zeichensprache und englischen Zurufen erklärt haben worauf ich achten solle.

Am Ende war ich mir sicher, dass es die richtige Entscheidung war. Nicht nur weil mir die erste Stunde wieder gnadenlos vor Augen geführt hat, wo die Schwächen meines Körpers liegen und ich hoffe diese mit Yoga bekämpfen zu können, sondern auch weil ich sehr viel Spaß hatte. Und das lag natürlich vor allem an den lieben Menschen, die ich heute getroffen habe. Ich habe also endlich Kontakt zu mehr einheimischen Studierenden.

Danke Yoga! Danke Lynn!

7 thoughts on “Yoga auf Chinesisch

  1. Silvi, das klingt richtig gut und vor allem bewundere ich deine freudige Sicht auf alles (muss wohl an deinem neuen Namen liegen 😉 ). Ich glaube, dass du richtig an all das Neue und Unbekannte gehst und verstehe vollkommen, wie sehr du dich über die Trennung zu den Einheimischen ärgerst! Wie ist denn eigentlich deine WG? Ich drück dich ganz fest! ♥♥

    1. Danke Josi! <3
      Ich wohne ja im Hauptgebäude, da hat man sein eigenes Bad und teilt sich nur die Küche mit den anderen auf dem Flur. Bis jetzt sind alle sehr nett, die ich getroffen habe, aber man lebt eben mehr für sich. Vor allem da es auch keinen Gemeinschaftsraum gibt, wo man sich zusammensetzen könnte… ganz anders wie mein Leben in Konstanz…

      1. Zum Glück kommst du ja wieder nach Konstanz, oder? Und vielleicht kannst du es als eine glückliche Erinnerung immer mit dir rumtragen. Oder dir ein Aquarium an die Wand malen, damit es mehr nach deiner lieben WG aussieht in deinem Zimmer 🙂

  2. Yoga in China! Ich finde es super, dass du das ausprobierst und auch den Kontakt zu Einheimischen suchst. Es bringt einen doch häufig sehr viel weiter, wenn man aus seiner Komfortzone heraustritt und Neues ausprobiert! Go Lin Xi Ya!

  3. Voll gut und schön, dass du deinen Schweinehund überwunden hast! Das musste ich auch, als ich zum ersten Mal ins Karate gegangen bin. Ich freue mich, dass es dann so gut geklappt hast und dir alle helfen wollten. Wie erging es dir mit den chinesischen Instruktionen? Hättest du gern mehr verstanden oder ging es dir wie mir, dass es ganz gut war, dass man nicht alles verstanden hat?
    Ich habe noch eine Frage zu den Wohnheimen. Was findest du daran diskriminierend? Habt ihr ein besseres Hostel als die Einheimischen? Oder müssen sich die Einheimischen nicht anmelden, wenn sie ins Hostel gehen? Nur damit ich verstehe, was du meinst 🙂

    1. Naja, ich kannte ja viele Übungen gar nicht und wusste dann nicht genau worauf ich achten soll. Daher war es nicht ganz so gut, die Instruktionen nicht zu verstehen und das hat dann auch dazu geführt, dass mich die Lehrerin oft korrigiert hat. Was manchmal ein bisschen unangenehm war… 😀
      Wir haben erstens ein besseres Wohnheim. Also zumindest das Hauptgebäude, indem ich wohne, ist besser. Wir haben private Badezimmer, größere Zimmer, Aufzüge. Unser Wohnheimbereich ist zudem mit zusätzlichen Wachpersonal geschützt. Unsere Wohnheime sind mit Elektrozaun und Schlüsselkontrolle (Tag und Nacht) abgegrenzt von dem restlichen Campus und den Wohnheimen für Einheimische. Wir werden also quasi mehr beschützt. Und so entsteht eben auch eine noch deutlichere, sehr sichtbare Trennung. Andere hier sehen das als Privileg und sehr positiv, dass wir so beschützt werden. Ich nicht.

  4. Hey Silvi,
    ich wiederhole jetzt einfach die vorherigen Kommentare, aber es freut mich wahnsinning, dass du alles so neugierig angehst und dich arrangierst und auch den Kontakt mit Einheimischen suchst. Echt eine coole Sache mit den Buddies, das schätzt man wohl erst dann richtig, wenn man einen Buddy gebrauchen könnte.
    Joga ist dazu ja auch noch eine ganz coole Sportart, die du in Konstanz weiterführen kannst und die jetzt im Moment von Unialltag, Stress und vielen einprasselnden neuen Eindrücken entspannen kann.
    Übrigens zu Lin Xi Ya (hab ich das jetzt richtig…) – meinen Namen kennt hier auch kein Mensch und da ich langsam keine Lust mehr habe, mich zu wiederholen, zu buchstabieren und dann am Ende Yuu, Yuwee, Ouwer, Uwee oder Ähnliches zu heißen, sage ich immer öfter einfach Owen, das macht die Sache leichter.
    Liebe Grüße!

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