Santiago de Turquía?

Der neunte Tag in Santiago. Es haben sich viele Eindrücke angesammelt, nur hatte ich bisher leider keine stabile WLAN-Verbindung… Ich schreibe jetzt einfach mal mit Hilfe meiner Notizen los und schaue wann ich diesen Eintrag posten kann.

Seit meiner Ankunft am Flughafen kann ich nicht aufhören, diese Stadt mit den türkischen Städten zu vergleichen. Die Hektik und die Unordnung bereits am Band während man auf die Koffer wartet, die Taxi Fahrer, die einen überrumpeln nach dieser langen und unbequemen Reise, selbst der Geruch vom Abgas vor dem Flughafen- bin ich in der Türkei frage ich mich. Diese Ähnlichkeit sollte mir hier in den Folgetagen bestätigt werden.

Ca. stündlich hört man Autoalarme hier, die man nicht beschreiben kann, da man sie so lustig in Deutschland nicht kennt. Ich glaube wenn eins meiner Landsleute diesen Beitrag lesen, werden sie genau wissen, welche Melodie ich meine.

Apropos Melodie: Der Klang der englischen Aussprache von den Einheimischen ist in Chile genauso wie in der Türkei: das Ohr erkennt, dass Jmd. gerade wahrscheinlich Englisch spricht, aber das genaue Wort oder den Namen von dem amerikanischen Autor können nur die Gehöre der Linguisten verstehen.

Kommen wir zu den wichtigen Dingen: Die Bürokratie. Man muss für einen Ausweisantrag zu zwei verschiedenen Ämtern rennen, die logischerweise jeweils am anderen Ende von der Stadt sind. Kaum war ich baff, dass wir beim ersten Amt gerade mal 15-20 min gebraucht haben und die Herren uns den Weg zum nächsten Behördengang erklärt haben, haben wir erstmal feststellen müssen, dass der „Servicio de Registro Civil e Identifación“  schön versteckt, herabgekommen, überfüllt und unübersichtlich ist. Da man es dort mit einem genauso tollen Service zu tun hat wie in der Türkei, wird einem die Nummer gezogen und in die Hand gedrückt. In dieser Menschenmasse darf man dann feststellen, dass man nur nach 150 Personen dran ist. Das heißt ca. 4,5 Std später. An dieser Stelle muss ich sogar sagen, dass man selbst in der Türkei schneller vorankommt.

Aufgrund von Mitarbeiterfehlern, die natürlich im Süden nicht fehlen können oder Angestellten, die einfach nur unwichtige Gespräche führen und nicht zum Punkt kommen oder eben weil sie unbedingt einen Tee trinken müssen, da nur 2000 Menschen draußen warten, verlängern sich einige Dinge eben nochmal. Das denke ich doch schon alles…

Wenn man dann eine Ausweisnummer hat, darf man es stolz und überall vorlesen, da in beiden Ländern, sei es in der Uni, Bib oder Metrostation oft nach dieser wichtigen Nummer gefragt wird.

Chaotisch ist es auch auf den Straßen. Insgesamt zeigt sich Santiago als sehr modern wie Izmir oder Istanbul könnte man sagen. Sehr gute Metroanbindungen, die mich positiv überrascht haben, sehr hohe und moderne Gebäuden, schöne Palmen, tolle Einkaufshäuser und gute Autos. Was ähnlich mit der Türkei ist? Je nach Wohngegend sind die Straßen mit sehr viel Müll bedeckt, neben denen sich die kraftlosen Straßenhunde einen Schlafplatz suchen. Oft sieht man Bettler, sehr hohe Bordsteine, falsch stehende Autos, orangene Straßenlaternen, Palmen und viele Plakate v.a. vor den Einkaufshäusern, mit der Absicht gegen etwas zu demonstrieren.

Die erwähnten modernen Einkaufsläden sind  übrigens überteuert, sodass ich mich auch hier frage, wie sich die Einheimischen das alles leisten können. Aber es gibt immerhin die Märkte (ferias). Die wunderVOLLEN Gemüse und Obstmärkte, wo man mit bunten und gesunden Lebensmitteln begrüßt wird. Das Geld, was man vor allem für solche Angelegenheiten mitnimmt, soll man lieber in der Hosentasche oder auf Brusthöhe tragen, um auf der sicheren Seite zu sein. Darin bin ich ja schon seit Kindesalter Dank meinen Tanten und meiner Oma erprobt.        Bazare und Straßenverkäufer dürfen natürlich auch nicht fehlen. Ich verrate euch etwas: nicht nur die Türken schreien so laut. Die Chilenen sind da auch so gut darin, ihre Artischocken, die genauso gut sind wie in der TürkeiJ, zu verkaufen. Bei so vielen Ähnlichkeiten mit den türkischen Händlern habe ich mich sogar getraut auf Spanisch zu handeln und es hat geklappt.

Wohnung: Die neuen Bauten, in eines wir das Glück haben zu wohnen, sind auch wie in der Türkei mit einem Concierge und Kameras, Aufzügen, schönem Balkon, Gasherd und hellen Fliesen ausgerüstet. Spätestens bis man merkt, wie undicht die Fenster sind oder das Vorhanggerüst von der Wand abfällt, weiß man wie modern und sorgfältig in diesen Ländern gearbeitet wird.

Während man im Gebäude den chilenischen Luxus und die weite Aussicht auf die Anden genießt, erkennt man zur linken oder rechten, die Wohngegenden mit kleinen herabgekommen Häuser, die man hier barrios bajos oder in der Türkei gecekondus nennt. Das war auch immer ein Stadtbild, was mich in der Türkei so fasziniert hatte: zwei verschiedene Welten nebeneinander…

Überall und an jeder Ecke gibt es einen Kiosk oder oft auch drei nebeneinander, die dieselben Artikeln verkaufen: Getränke, Schokolade, Kekse, Chips und manchmal Zigaretten. Auch habe ich eine türkische Keksmarke (Ülker) in den Kiosken gefunden, also ist dieser Vergleich erst recht berechtigt.

Teigkultur: Wie in der Türkei wird in Chile alles aus Mehl und Fett hergestelltJ Mischt man Salz dazu, kann man jede Art von empanada mit Fleisch oder Käse herstellen oder eben pide. Mischt man es mit ganz viel Zucker können kalorienreiche Süßgebäcke wie alfajores  oder baklava entstehen.

Es ist toll, dass man auch hier Sonntag inklusive, bis zum späten Abend einkaufen kann. Der Nachteil jedoch ist, dass man einfach nicht die Möglichkeit hat, zur Ruhe zu kommen. Die Menschen kennen keinen Ruhetag oder so etwas wie Nachtruhe – im Spanischen oder Türkischen existiert das Wort „Ruhe“ einfach nicht. Stattdessen wird das Wort „Bequemlichkeit“ im Süden ganz großgeschrieben.

Man sieht in Santiago viele Personen in Uniform, entweder Schüler oder Soldaten und Polizisten, die fast überall rumlaufen. Auch ist das selbstverständlich für mich, genauso wie Autos und Taxen, die einfach mit Gas laufen, sodass auch kein Koffer mehr in den Stauraum passt. Wozu denn auch, ich kann ja schließlich mein 23 kg schweren Koffer und mein Rucksack auf den Schoß nehmen.

Was wundervoll ist? Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen, die typisch für Santiago und auch für die Türkei ist. Man kennt fast alle Bewohner im Hochhaus und unterhält sich auch im Aufzug. Als erstes lernt man glaub ich in beiden Ländern, die Nachbarskinder kennen, die man überall und zu jeder Uhrzeit einfach hören kann.

Für Santiago und die großen türkischen Städte gilt: Man kann sich noch so oft beklagen, man ist trotzdem glücklich am jeweiligen Ort zu sein:) Ich genieße in der chilenischen Hauptstadt die Aussicht auf die schneebedeckten Anden,, die netten Menschen und einfach auf der anderen Seite von der Welt zu sein- in Chile. Mich schockiert in Santiago einfach nichts. Ich kehre zurück auf meine Wurzel, aber lerne wieder einmal im Ausland, die deutsche Ordnung und Bürokratie, die gut strukturierten Unis mit Vorlesungsverzeichnis und Lernplattformen wie ILIAS zu schätzen. Beschwert euch nicht mehr, wenn ihr im Rathaus oder Bürgerbüro eine Nummer bekommt, wo nur sieben Personen vor euch sind.

basura en la calle
basura en la calle

4 thoughts on “Santiago de Turquía?

  1. Was für ein großartiger Vergleich! Dann wirst du dich ja sicher schon bald ganz wie zuhause fühlen! Und besonders schmunzeln musste ich bei der Beschreibung der spanischsprachigen Versuche, englische Worte auszusprechen… Das hab ich hier auch ständig!

    1. Muss ja zugeben, dass ich echt vieles in Englisch vergessen habe. Nur habe Angst, dass es hier noch schlechter wird. Hoffe kann meine Aussprache retten 🙂

  2. Mir passiert das auch ständig, dass ich alles vergleiche mit dem was mir so bekannt ist. Es hat auch etwas beruhigendes oder?

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *