Rebellion hat viele Gesichter. Zunächst natürlich das von James Dean; dann: Martin Luther King, Malcom X, Angela Davis. Rebellion hat eben auch Tradition. In den letzten Monaten bin ich auch beim Lesen immer wieder – manchmal regelrecht unerwartet – auf Rebellen gestoßen.
Michael Moore – Stupid White Men
Ehrlichgesagt habe ich von diesem Flohmarktschnapp nicht sonderlich viel erwartet. Mir war klar, dass Moores Buch schon längst von der Gegenwart überholt wurde und auch, dass ich von ihm keine wissenschaftlich elaborierten Kommentare im Stile Zinns zu erwarten hatte. Eine deutliche Vorstellung von dem, was ich denn da lesen würde, hatte ich aber trotzdem nicht. Vorweg: Ich habe mich gut unterhalten und war positiv überrascht. Michael Moore hat diesen rotzigen, flegelhaften Ton, den ich mit renitenten US-amerikanischen Rebellen verbinde. Seine Kommentare sind direkt, frech und zum Teil grenzwertig beleidigend (das F-Wort!). Das bedeutet aber in seinem Fall nicht, dass sich keine intelligenten Einschätzungen und Wahrheiten darin verbergen. Zugegeben, manches ist sehr weit hergeholt und gewagt, manches schlichtweg übertrieben und vor allem seine Lösungsvorschläge erscheinen mir erschreckend simplizistisch (Zur Lösung des Israel-Palästina-Problems schlägt Moore eine Zwei-Staaten-Lösung vor. Klar, das muss funktionieren, wieso da nicht schon früher jemand drauf gekommen ist?).
Trotzdem konnte ich aus dem Buch einiges für meinen Aufenthalt mitnehmen. Ich habe gelernt, dass es tatsächlich mehr als zwei Parteien in den USA gibt, dass ich die Finger (und den Mund) vom arsen-durchtränkten Leitungswasser lassen sollte und dass Kalifornien eigentlich kein geeigneter Lebensraum ist:
„I’ve thought about just moving to California and becoming a vegetarian. No – wait! Not California. Talk about a place with econological mayhem afoot everywhere you turn. If the Golden State isn’t being hit with earthquakes, it’s being burned to the ground by uncontrollable wildires. Whatever the fires don’t destroy, the mudslides finish off. If the state isn’t experiencing a major drought, then it’s being hit with La Niña, El Niño, or El Loco. The West Coast is a crazy place to drop a bunch of humans: I’m convinced that nature never intended for our species to settle there. It just isn’t constructed ecologically for our survival. No matter how much sod you lay down over desert sand or how much water you pump from the Colorado River a thousand miles away, you can’t fool Mother Nature – and when you try, Mother Nature gets really shit-faced.“
(S. 138)
Klasse, da ziehe ich hin!
James Franco – Palo Alto
Ich gestehe, das war kein Zufall. Es ist kein Geheimnis, dass ich ein echtes James Franco Fan-Girl bin und die Tatsache, dass Palo Alto nur knappe 40 Meilen von Berkeley entfernt ist, lieferte mir eine plausible Begründung dafür, seine Kurzgeschichtensammlung zu kaufen. Meine Erwartungen waren natürlich viel zu hoch für den armen Mann. Man könnte es auch so formulieren: Sein literarisches Talent kann sich nicht mit seinen Bauchmuskeln messen. „Palo Alto“ ist leider nicht mehr als eine nette Sammlung von Kurzgeschichten über das Erwachsenwerden in mehr oder weniger prekären Verhältnissen. Nichts, was man nicht schon tausend Mal gesehen oder gehört hätte: Vorstadt, High School, Außenseitertum, Sex, Drogen, Alkohol, Autounfälle, erste Liebe und Hot Dogs. Rebellen ohne Grund, ohne Ziel und eben leider auch ohne poetische Höhenflüge.
Ich kann mir vorstellen, dass James Franco den Lebensgeist einer Generation eben gerade durch seinen bodenständigen, fast minimalistischen Ton besonders authentisch repräsentiert, ein besonders erfüllendes Leseerlebnis wird „Palo Alto“ dadurch aber leider trotzdem nicht. Vielleicht haben ja seine diversen Independent-Serien mehr Six-Pack Potential. Ich werde mir die eine oder andere in Kalifornien mal vornehmen.
Bommi Baumann / Till Meyer – Radikales Amerika
„Wie die amerikanische Protestbewegung Deutschland veränderte“ – genau diesen Punkt habe ich damals in meinem Motivationsschreiben für das Auslandssemester auch hervorgehoben. Wie Baumann und Meyer habe ich mich gefragt, inwiefern die deutsche Studentenbewegung von Pionieren aus den USA (vor allem natürlich aus Bezerkeley) beeinflusst worden ist. Beat-Poesie, Protestsongs und moderne Demonstrationsformen – da gäbe es einiges zu untersuchen.
Nicht zuletzt bieten auch die Veröffentlichungen von Baumann und Meyer hervorragendes Forschungsmaterial: Beide waren ehemals in der „Bewegung 2. Juni“ terroristisch aktiv. Ihre Strafen haben sie abgesessen, aber schon nach wenigen Seiten wird klar, dass von einer intellektuellen Kehrtwende keine Rede sein kann. Ich würde sogar so weit gehen, zu konstatieren, dass das Wort intellektuell hier gänzlich fehl am Platz ist. Jedenfalls fehlte dem Rotbuch Verlag definitiv das Geld für einen Lektor und vor allem Bommi Baumann fehlen die Worte, klare Argumentationsketten und auch das Gespür für die korrekte Verwendung kausaler Satzanschlüsse.
Zum Beispiel:
„Die Entscheidung, ein freies Individuum zu werden, wird in der Gruppe, in der man lebt, anfänglich immer auf Widerstand stoßen, weil man sich damit offiziell der herrschenden Kontrolle entzieht.“
(S. 13)
Fazit: Ein wahres Floskelfiasko und ein Musterbeispiel dafür, wie die Revolution ihre Kinder mal auf ganz andere Art frisst. Es wird Zeit, dass eine jüngere Generation zu Wort kommt.
Merci,
de Vati