Eine knappe Woche vor Beginn der größten Reise meines bisherigen Lebens schreibe ich eine Arbeit über weiße Flächen auf Landkarten. Die Ironie der Situation ist mir gerade erst bewusst geworden, im Fernbus, irgendwo zwischen Hamburg und Berlin, während draußen Felder und Windräder vorbei ziehen. Die Arbeit dreht sich um Darstellung und Produktion von Wissen, die Ausübung von Macht – Fragen, die in unserem Studium immer wieder auftauchen. Bezüge zu Foucault. Natürlich. Neuer Kontext, ähnliches Spiel. Und wieder mal wird mir bewusst, dass die Uni und die wissenschaftliche Beschäftigung mit Themen nicht nur Perspektiven erweitern und Türen öffnen, sondern auch immer wieder die Sicht auf das Naheliegende verstellen können. Denn Hong Kong ist für mich in vielerlei Hinsicht ein weißer Fleck auf der Weltkarte in meinem Kopf.
Ich habe Dokus gesehen, Reiseführer und Instagram Accounts durchforstet, Nachrichten und Reiseblogs gelesen, bin mehr als einmal mit Google Maps an Orte „gereist“, die ich von Bildern und Berichten kenne. Scheinbar jeder kennt jemanden, der schonmal in der Stadt war, zwei oder drei habe ich getroffen, die auch selbst schon da waren. Selten habe ich eine so einhellig positive Meinung über einen Ort gehört.
Letztlich ist meine mental map aber noch so oberflächlich wie die Fotografien der Fassaden der Hong Konger Wohntürme, deren gefühlt hunderte Meter nach oben reichenden Fensterreihen beeindruckende geometrische Muster ergeben.
Wie gut, dass sich auf der Suche nach einem Ausweg aus dem Uni-Loch immer auch die eine oder andere Inspiration findet. Allerdings ist mir gerade rechzeitig aufgefallen, dass dieser Blog nicht wirklich als “zu wissenschaftlichen Zwecken” gelten kann und ich nicht einfach drauflos zitieren darf. Deshalb versuche ich es jetzt einfach als Paraphrase… Der Ökonom E.F. Schumacher (A Guide for the Perplexed, 1977) beschreibt, wie uns immer wieder Karten of life and knowledge begegnen, die vieles von dem, was uns am Herzen liegt gerade nicht zeigen. Doch selbst wenn uns das in Verwirrung stürzt, sollen wir nicht unsere eigene Wahrnehmung hinterfragen, sondern lieber die Zuverlässigkeit der Karten.
Ich denke mal, das lässt sich in den kommenden Monaten auf viele Dinge anwenden. Bis wir uns wiedersehen wünsche ich euch deshalb allen eine grandiose Zeit beim Finden eurer eigenen Wege, Füllen von Lücken, Setzen von Zeichen und Verschieben von Maßstäben auf euren eigenen Karten! Und danke an alle von euch, die schon angefangen haben zu berichten, wie immer gibt es einiges zu Lachen und vieles zum Nachdenken. Ein bischen so, als wären wir alle gar nicht in der ganzen Welt verstreut.
Ein kleiner Eindruck der Fassaden findet sich hier:
https://www.theguardian.com/cities/2015/aug/10/superdensity-facades-hong-kong-in-pictures (Stand: 08.08.2016)