In der Theorie hört es sich immer plausibel und total machbar an. Eben wie im Mathematikunterricht. Der Lehrer steht vorne und rechnet alles schön durch und man selbst denkt sich, :”Hey, das ist ja voll logisch”. Das Ganze kippt, wenn man dann zu Hause sitzt und versucht eine Rechenaufgabe zu lösen. Genau so ergeht es mir mit meinem Auslandssemester in Südafrika, Pretoria. Ein Semester in Afrika studieren, dass hört sich toll, spannend und aufregend an. Die Praxis sieht so aus: Es ist Dienstag, am Montag ging mein Flug und anstatt den südafrikanischen Winter zu erleben, sitze ich hier in Deutschland. Ich habe kein Visum
Flug – Visum ≠ Südafrika
Flug + Visum = Südafrika
Aber ich greife voraus. Schon in der Grundschule lernt man, die Sachaufgabe vorher gründlich zu lesen, sich gegebenenfalls wichtige Angaben zu unterstreichen. Wer möchte auch mehrfarbig. In unserem Studiengang “Kulturelle Grundlagen Europas” ist ein Auslandssemester ein verpflichtender Teil des Masterprogrammes. Hierfür hat der Studiengang mehrere Kooperationen mit verschiedenen außereuropäischen Universitäten.
Aufgabe: Suchen Sie sich eine Universität aus, die sich in ihren Schwerpunkt und Masterverlauf gut eingliedert und bewerben Sie sich.
Na das ist doch gar nicht so schwer:
Motivationsschreiben + Auswahlgespräch = Südafrika
Soweit habe ich die Teilaufgabe mit Bravour bestanden. Volle Punktzahl. Jetzt fängt jedoch der knifflige Teil an. Es taucht eine große Unbekannte auf, die es zu lösen gilt: Das Visum. Klar, schon mal gehört. Man benötigt ein Visum, um in ein anderes Land einzureisen. Wie bekommt man ein Visum? Wie löst man die große Unbekannte auf? Keine Ahnung. Also erst mal einen Blick in die Formelsammlung, oder in meinem Fall auf die Internetseite der afrikanischen Botschaft. Somit ergibt sich folgende Gleichung:
Visum = Reisepass + juristisches Führungszeugnis + ärztliches Attest + Bestätigung nicht Tuberkulose zu haben + Kontoauszüge der letzten drei Monate + Ausfüllen eines Antrages + Passbild + Zulassung der südafrikanischen Uni
Die große Unbekannte Visum dröselt sich in verschiedene andere Unbekannte auf, die es zu lösen gilt. Uff, dass muss man erst mal verdauen. Aber ich habe ein Bachelor, war schon mal im Ausland und bin eine starke unabhängige Frau, jedenfalls nach Beyoncé. Ich schaff das also. Schritt für Schritt löse ich die unbekannten Größen.
Juristisches Führungszeugnis: Gott sei Dank immer noch straffrei; Kontoauszüge: Shoppingsünden und lustige Betreffs von Geldüberweisungen von Freunden; Passbild: wer sieht da nicht aus wie ein Serienmörder? Aber es klappt. Nach und nach lösen sich die Unbekannten auf. Doch eine Unbekannt fehlt. Die Zulassung der Universität Pretoria.
Zulassung ≠ Visum
Langsam komme ich in eine Stresssituation. Wie ein Lehrer, der hinter einem steht, der kalte Atem im Nacken und man versucht verzweifelt ruhig zu bleiben, so sitzt mir nun die Zeit im Nacken.
10 Wochen bis zum Semesteranfang – keine Zulassung
8 Wochen bis zum Semesteranfang – keine Zulassung
6 Wochen bis zum Semesteranfang – keine Zulassung: ein kleiner Zusammenbruch meiner Seite – am Ende der Woche endlich, die Zulassung. Ja die Rechnung geht auf, jetzt nur noch das Geld überweisen für die Bearbeitungsgebühren, dann kann ich mein Visum beantragen.
alle Dokumente + 50€ + Besuch beim Konsulat in München = Visum
So jedenfalls die Theorie. Ich mache mich also ans zusammenrechnen. Euphorisch und stolz. Ich habe alle Unbekannten besiegt. Doch Mathe ist ein Arschloch. Es kommt ne scheiß Zahl raus, so eine bei der man weiß, sie kann einfach nicht stimmen. Eine Fiese mit Komma und unendlichen Nachkommastellen. Dabei habe ich doch alles genau so gemacht, wie es die Formelsammlung sagt.
Es ist Dienstag, am Montag ging mein Flug und mein Ergebnis: kein Visum, ich sitze immer noch in Deutschland.